Buchbesprechung/Rezension:

Peter Gridling: Überraschungsangriff
Die Ausschaltung des Bundesamtes für ­Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung

Überraschungsangriff
verfasst am 01.04.2024 | 1 Kommentar

Autorin/Autor: Gridling, Peter
Genre:
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Wie man eine wichtige Behörde zerstört und welche Folgen daraus erwachsen.

Wien, am 28. Februar 2018, 8 Uhr morgens, Rennweg: Als eine Armada von Staatsanwälten und Polizeibeamten sich frühmorgens unter falschen Angaben den Zutritt zu den Büros des Bundesamtes für Verfassungsschutzes und Terrorismusbekämpfung (BVT) verschaffen, gerät die Welt dieser Behörde aus den Fugen. In einer in der Zweiten Republik noch nie da gewesenen, streng geheim gehaltenen Kommandoaktion werden die diensttuenden Beamten mit folgenden Worten bedroht:

„Nehmen Sie sofort Ihre Hände von der Tastatur und vom Telefon und treten Sie zurück. Ich bin Angehöriger der Generaldirektion, und somit Ihr Vorgesetzter. Sie werden daher meinen Weisungen folgen. Sollten Sie versuchen, zu telefonieren oder auf andere Art jemanden verständigen, können Sie gleich mit der Staatsanwältin weiterreden. Dies wird Ihnen als Widerstand gegen eine Amtshandlung oder als Begünstigung ausgelegt und es droht Ihnen eine Anzeige und ein Strafverfahren.“

Wenig später sind Zentralschlüssel, Zutrittskarten sowie willkürlich Computer, Mobiltelefone und Akten beschlagnahmt und abtransportiert.

Wie es zu diesem Überraschungsangriff kommen konnte, wer welche Fäden gezogen hat und wer Nutznießer dieser höchst dubiosen Aktion war/ist, versucht der damalige Leiter des BVT Peter Gridling mit diesem Buch, das gleichzeitig Aufarbeitung und Abrechnung ist, nachzuvollziehen. Gridling nennt jene Namen, die er für Draht- und Strippenzieher hält, die eine unappetitliche Nähe zum damaligen Innenminister Herbert Kickl haben.

Gefallen hat mir, wie Peter Gridling die ganze Causa inklusive den daraus resultierenden parlamentarischen Untersuchungsausschuss so objektiv wie ihm möglich war, dargestellt hat. Dazu hat auch die Einführung des fiktiven Journalisten beigetragen, der die Zerstörung einer wichtigen Behörde durch politische Ränkespiele einer Partei quasi „hautnah“ miterlebt hat.

Dass bei einem Regierungswechsel eigene Parteigänger, Freunde und Günstlinge in meist hohe Positionen gehievt werden und dafür altgediente Mitarbeiter der scheidenden Regierung entweder auf ein Abstellgleis oder gleich gänzlich abserviert werden, ist grundsätzlich nichts Neues weder in Österreich noch anderswo. Was aber doch neu und erschreckend ist, ist die Methode, mit der hier vorgegangen wurde. Man wähnt sich in Zeiten zurückversetzt, die man tunlichst vergessen wollte.

Dieser Einblick hinter die Kulissen von Politikerinterventionen und Machtspielen ist informativ und erschreckend zugleich. Man könnte fast an Österreichs Rechtsstaatlichkeit zweifeln, aber nur fast. Es ist allerdings beruhigend, dass dieses Buch erscheinen konnte.

Bezeichnend ist auch, dass der Abgeordnete Walter Herbert (FPÖ), kurz nach der Veröffentlichung dieses Buches, an den aktuellen Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) eine parlamentarische Anfrage gestellt hat, ob auf Grund des brisanten Inhalts nicht eine Vorabgenehmigung seitens des Innenministeriums notwendig gewesen wäre. BM Karner beantwortet die parlamentarische Anfrage damit, dass das Buch nach seinem Erscheinen hinsichtlich einer Prüfung nach allfälligen Verletzung des Strafgesetzbuch (StGB) oder des Beamten-DienstrechtsGesetz ( BDG) unterzogen worden, die keine Veranlassung für die Einleitung rechtlicher Schritte ergeben haben.

Der Schaden, den die Zerschlagung des BVT angerichtet hat, ist allerdings kaum wiedergutzumachen. Die ledigliche Umbenennung in Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) sowie das Austauschen von Führungskräften oder Türschildern wird wohl nicht genügen.

Ob sich das mit dieser Aktion verspielte Vertrauen im In- und Ausland wieder herstellen lassen wird? Vermutlich wird es schwer werden, den Schaden, ausländische Nachrichtendienste haben Österreich als nicht zu 100% vertrauenswürdig eingestuft, zu beheben. An den Folgen wird das Land noch zu kiefeln haben, wie Terrorismusforscher Nicolas Stockhammer in seinem Buch zum Terroranschlag vom 2. November 2020 „Trügerische Ruhe“ dargelegt hat. Vermutlich wären, ohne Zerschlagung des BVT, die Informationen zu dem Attentäter früher an die maßgeblichen Stellen geleitet worden.

Biografisches zum Autor:

Mag. Peter Gridling, geb. 1957, hatte in der Zeit 1977-2020 zahlreiche Funktionen in Gendarmerie und Polizei inne. In den Jahren 2002-2008 leitete er den Terrorismusbereich von Europol. Nach seiner Rückkehr 2008 nach Österreich übernahm er die Leitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) bis zu seiner Pensionierung 2020. In dieser Zeit diente er neun Regierungen und ebenso vielen Innenministern. In der Berichterstattung war er das Gesicht des BVT in der Öffentlichkeit.

Fazit:

Man könnte versucht sein, an Österreichs Rechtsstaatlichkeit zu zweifeln. Dass das Buch erscheinen kann, versöhnt einen wieder mit der österreichischen Justiz. Ein wichtiges Buch, dem ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung gebe.




Ein Kommentar

  • Gertie sagt:

    Mit der Verhaftung eines ehemaligen hochrangingen Mitarbeiters, der unter Verdacht steht, für den russlischen Geheimdienst spioniert zu haben, bekommt die Aktion eine neue Dimension.

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