Alexander Juraske, Agnes Meisinger, Peter Menasse: Hans Menasse: The Austrian Boy
in Leben zwischen Wien, London und Hollywood
Autorin/Autor: Juraske, Alexander
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Gertie
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Vom Kind, das vor den Nazis fliehen muss, und später zum Fußballstar wird.
Dieses Buch beschreibt die Lebensgeschichte von Hans Menasse (1930-2022), dem Vater von Eva, Robert und Tina Menasse. Hans ist 1930 als Sohn eines jüdischen Vaters und einer katholischen Mutter in Wien geboren. Nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland werden er und sein älterer Bruder Kurt (geb. 1923) mit einem der ersten „Kindertransporte“ im Dezember 1938 nach England geschickt. Die ältere Schwester Gertrude (geb. 1919) befindet sich zu dieser Zeit bereits mit ihrem Ehemann im sicheren Ausland.
„Ich sollte es nicht als tragisch empfinden, sie [die Eltern] haben es mir als „lustiges Abenteuer“ schmackhaft gemacht und gesagt, sie würden bald nachkommen. Es muss aber schrecklich gewesen sein, drei Kinder auf einmal zu „verlieren“ und nicht zu wissen, wie es weitergehen sollte. “, so Hans Menasse in seiner Erinnerung.
Hans und Kurt werden aufgrund des Altersunterschiedes bald voneinander getrennt. Hans wird in seiner Pflegefamilie, den Cooks, liebevoll aufgenommen. Anfangs gibt es noch spärlichen Briefkontakte zu seiner Familie, doch die reißen bald ab. Hans entdeckt in Luton seine Liebe zum (englischen) Fußball, der ihm hilft in der fremden Umgebung oh ne eigene Familie zu leben. Ein Talent-Scout wurde auf den kleinen Hans aufmerksam, und dieser durfte dann in den Knabenmannschaften von Derby County und Luton Town mitkicken, der Grundstein für (s)eine Fußballer-Karriere.
Obwohl der Krieg 1945 mit der Kapitulation von Nazi-Deutschland zu Ende ist, kann Hans erst im Jahr 1947 nach Wien zurückkehren. Seine Eltern haben den Nazi-Terror gerade noch überlebt. Die Heimkehr ist nicht ganz unproblematisch, da Hans die deutsche Sprache über seinem Englandaufenthalt verlernt hat. Doch auch hier hilft ihm der Fußball wieder Fuß zu fassen. Das Sprungbrett ist der „First Vienna Football Club 1894“ (kurz Vienna) und wenig später Austria Wien. 15 Jahre nach seiner Vertreibung debütiert, am 26. April 1953, Hans Menasse in der österreichischen Nationalmannschaft im Budapester Nepstadion. Die Mannschaft ringt den Ungarn, die damals Weltklasse waren, ein respektables 1:1 ab. Die Einberufung in den Teamkader der Nationalmannschaft für die WM 1954, in der (man glaubt es kaum) Österreich den dritten Platz belegt, verhindert eine Gelbsucht. Mit seinem Verein Vienna ist Hans Menasse weiterhin erfolgreich und holt 1954/55 den bislang letzten Meistertitel für die Blau-Gelben aus Döbling.
Auf Grund seiner perfekten Englisch-Kenntnisse wird er Pressechef eines amerikanischen Filmverleihs und betreut beinahe 50 Jahre Hollywood-Größen wie Starregisseur Michael Curtiz (Casablanca), „Ben-Hur“ Star Charlton Heston , Meister-Regisseur Alfred Hitchcock oder Hollywoods Wunderkind Steven Spielberg („ Schindlers Liste). Hans Menasse hat für Spielberg ursprünglich eine Suite im Hotel Imperial reserviert, als jemandem einfiel, dass das Imperial Hitlers Lieblingshotel war. Daraufhin hat Menasse Spielberg in ein anderes Hotel umgebucht.
Im Jahr 2019 – erfolgt für Hans Menasse die längst fällige Verleihung des Goldenen Verdienstzeichens des Landes Wien durch Bürgermeister Michael Ludwig. Anlässlich dieser Feierlichkeiten erscheint die vorliegende Biografie. Hans Menasse ist in zweiter Ehe mit Christine, die er beim Filmverleih kennengelernt hat, verheiratet. Seine Kinder sind der Schriftsteller Robert, die Schriftstellerin Eva und die Biologin Tina.
Hans Menasse stirbt am 28. Februar 2022 in Wien.
Meine Meinung:
Diese Biografie ist sehr einfühlsam geschrieben. In wohlgesetzten Worten lernen wir das Schicksal dieses Mannes kennen. Beeindruckend, wie er sein Leben gemeistert hat. Viele private Fotos ergänzen das gediegen gebundene, mit einem Lesebändchen ausgestattete Buch.
Wir erfahren von der unrühmlichen Rolle des Karl Rainer, einem Fußball-Star eben jener Vienna und zeitweise auch Kapitän des Wunderteams, den Hans sehr bewundert hat. Rainer, recht bald ein Anhänger der Nazis, lässt die Familie Menasse aus ihrer Wohnung in Döbling delogieren und reißt sich auch das Geschäft von Richard Menasse, Hans‘ Onkel, unter den Nagel. Karl Rainer wird bis zu seinem Tod kein Unrechtsbewusstsein haben und das geraubte Eigentum der Familie Menasse als das seine ansehen.
Dass die Ideologie der Nazis nach wie vor in den Köpfen der Leute verankert ist, bekommt Hans mehrmals zu spüren. Seine Eltern können und wollen über diese schreckliche Zeit nicht sprechen. So liegt es, wie in vielen ähnlichen Fällen, bei der Enkelgeneration, die Geschichte ihrer jüdischen Familien aufzuarbeiten. Dafür sei Eva, Robert und Tina Menasse herzlich gedankt.
Für mich ist das Lesen dieses Buch ein bisschen eine Kindheitserinnerung. Ich bin mit meinem Vater jeden Sonntag auf den Fußballplatz der Vienna, auf die Hohe Warte, gegangen. Wahrscheinlich habe ich Hans Menasse, der 1966 seine aktive Fußball-Karriere beendet hat, noch spielen gesehen.
Fazit:
Eine tolle Biografie eines Mannes, der als achtjähriges Kind ins englische Exil geschickt wurde. Einfühlsam und fesselnd erzählt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.