Buchbesprechung/Rezension:

Jürgen Pettinger: Dorothea
Queere Heldin unterm Hakenkreuz

Dorothea
verfasst am 27.06.2024 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Pettinger, Jürgen
Genre:
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Wenn dich das Knarren des Parkettbodens verraten könnte – versteckte Juden im Wien der NS-Zeit

Wie schon in seinem Buch „Franz. Schwul unterm Hakenkreuz“ , beschäftigt sich Jürgen Pettinger abermals mit dem Thema Homosexualität während des NS-Regime. Anders als in Deutschland, ist weibliche Homosexualität in Österreich seit 1852 (damals Österreich-Ungarn) unter §129 IB StGB eine Straftat, die verfolgt wird. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland übernimmt das NS-Regime die strengere Auslegung.

Diesmal zeichnet er das die Jahre 1941-1944 im Leben der Schauspielerin Dorothea Neff (1903-1986) nach. Dorothea Neff und die Kostümbildnerin Lilli Wolff (1896-1983) sind ein heimliches Paar.

Dorothea Neff versteckt in dieser Zeit ihre Lebensgefährtin in ihrer Wohnung in der Annagasse in Wien. Lilly Wolff ist nämlich gleich doppelt bedroht, denn sie ist lesbisch und Jüdin. Eine tödliche Kombination während des NS-Regimes, das alle jene, die nicht in ihr Weltbild passen, gnadenlos verfolgt und ermordet.

Unmittelbar vor ihrer Deportation im Oktober 1941 zieht Lilli Wolff in Dorothea Neffs Wohnung ein. Der Koffer für die Abreise ins Ungewisse ist schon gepackt, dann entscheidet die Neff: “Nein! Du bleibst bei mir!“

Dorothea Neff gefährdet mit dieser großzügigen und mutigen Tat nicht nur ihre eigene Schauspielkarriere, sondern auch ihr Leben. Daher spielt sie in diesen vier Jahren die Rolle ihres Lebens. Lilli muss unsichtbar sein, sich wie ein Geist verhalten. Kein Spaziergang, ja nicht einmal ans Fenster gehen und vorsichtig durch die Wohnung schleichen, denn das Knarren des alten Parkettbodens könnte sie verraten. Wenn Dorothea Neff einen der seltenen Besuche bekommt, muss sich Lilli im Kamin verstecken.

Einer der wenigen Menschen, denen sie vertraut ist der junge Arzt Erwin Ringel, der im selben Haus wohnt. Als Lilli Wolff einen Tumor in der Brust entdeckt, schummelt er sie unter falschem Namen ins Krankenhaus. Sie überlebt die Operation.

Die beiden Frauen leben von den mageren Rationen einer einzigen Lebensmittelkarte. Nur hin und wieder gelingt es der Neff, ein paar Deka mehr zu erhalten.

Als dann noch ein hochrangiger SS-Angehöriger in das Haus einzieht, spitzt sich die Situation für Lilli und Dorothea nochmals zu.

Mit der Ankunft von Martha Driessen und Meta Schmitt, Lillis Freundinnen, die aus dem zerstörten Köln nach Wien fliehen, entgeht Dorothea Neff der behördlich angeordneten Einquartierung in ihre unzerstörte 130 m² große Wohnung. Nun leben vier Frauen von drei kargen Lebensmittelrationen.

Doch auch mit dem Einmarsch der Russen 1945 scheint die Gefahr noch nicht gebannt zu sein.

Meine Meinung:

Dorothea Neff hat mit ihrem Mut Lilli Wolff das Leben gerettet. Ihre Beziehung ist aber in den Jahren des Ausnahmezustands zerbrochen. Außerdem hat Dorothea Neff mit Eva Zilcher eine neue Liebe gefunden. Meta Schmitt und Martha Driessen kehren nach Köln zurück. 1947 wird Lilli Wolff Europa verlassen und niemals wiederkommen.

Dorothea Neff hat über die Jahre im Krieg geschwiegen. Erst 1978 spricht sie in einem Interview darüber. Während das offizielle Österreich nach wie vor keine Notiz davon nimmt, wird der israelische Botschafter in Basel auf diesen Artikel aufmerksam. 1980 wird Dorothea Neff mit der Medaille von Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet.

Die Biografien von Dorothea Neff und Lilli Wolff sind penibel recherchiert. Um die Dramatik dieser Jahre für die Leser erlebbar zu machen, hat Jürgen Pettinger diesmal die Erzählform einer Romanbiografie gewählt. Zahlreiche Fotos ergänzen dieses beeindruckende Buch.

Fazit:

Dieser einfühlsamen und beeindruckenden Romanbiografie, die eine Hommage an eine Mutige in dunklen Zeiten ist, gebe ich gerne 5 Sterne.




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