Jürgen Pettinger: Franz
Schwul unterm Hakenkreuz
Autorin/Autor: Pettinger, Jürgen
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Gertie
Online bestellen:
Leidensweg eines Homosexuellen während der NS-Zeit.
Jürgen Pettinger zeichnet in diesem Buch die Lebensgeschichte des Franz Doms (1922-1944) aus Wien nach. Der junge Mann ist eines der (fast) vergessenen Opfer der NS-Justiz, die alle jene, die nicht in ihr Weltbild passten, gnadenlos verfolgte und ermordete.
Wie viele Tausende andere schwule Männer gerät Franz 1940 in die Fänge des NS-Regimes. Dazu bedient sich die Diktatur zahlreicher Spitzel, die häufig ebenfalls schwul sind, und solange sie andere ans buchstäbliche Messer liefern, gerade noch geduldet sind, bevor sie selbst wegen des verschärften § 175 in KZs verbracht, gefoltert, kastriert oder gleich ermordet werden.
„Er ist ein völlig haltloser, seinen widernatürlichen Trieben gegenüber machtloser Verbrecher, bei dem von Freiheitsstrafen kein erzieherischer oder abschreckender Erfolg mehr zu erwarten ist.” (Anklageschrift)
Jürgen Pettinger hat für dieses Buch Unmengen von Akten und Protokolle gesichtet, deren Auszüge in dieser packenden Biografie zu lesen sind. Die minutiösen Aufzeichnungen der NS-Bürokratie lassen uns heute die Leidenswege von tausenden verfolgten und ermordeten Menschen nachvollziehen.
Der Größenwahn und die Dokumentationswut des Bürokratismus zeigen sich in den Aufzeichnungen von Franz Doms‘ Hinrichtung ( S.183):
„Um 8 Uhr 41 Minuten und 8 Sekunden wird der Verurteilte dem Scharfrichter übergeben. Landesgericht Wien Vollstreckungshaft (Franz Doms), 7. Februar 1944“
„Um 8 Uhr 41 Minuten und 18 Sekunden meldet dieser den Vollzug des Todesurteils. Das Verhalten des Scharfrichters und seiner Gehilfen war in keiner Beziehung zu beanstanden. Der Leichnam wurde in den bereitgestellten Sarg gelegt. Landesgericht Wien Vollstreckungshaft (Franz Doms), 7. Februar 1944“
Franz Doms‘ Leben endet mit 21 Jahren unter dem Fallbeil, weil er den Vorstellungen des NS-Regimes nicht entsprochen hat.
Jürgen Pettinger hat hier eine einfühlsame, oft sehr intime Biografie eines jungen Mannes geschrieben. Damit gibt er Franz Doms stellvertretend für seine Schicksalsgenossen seine bzw. ihre Würde zurück.
Fazit:
Eine einfühlsame und beeindruckende Biografie, die stellvertretend für die Tausenden von verfolgten und ermordeten Schwulen der NS-Zeit steht. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.
Nachlese:
Der Nationalsozialismus hat Homosexuelle eingesperrt und ermordet. Nach 1945 wird ihnen die Anerkennung als Opfer des NS-Regimes verweigert. In Berlin gibt es seit 2008 (!) ein Denkmal, das an sie erinnert.
Am 5. Juni 2023 wird am Karlsplatz in Wien eine Regenbogen-Skulptur enthüllt. Ganz in Grau erinnert das Symbol der LGBTIQ+ Bewegung an Franz Doms und alle anderen Menschen, die während des Nationalsozialismus wegen homosexueller Handlungen verfolgt, gefoltert, eingesperrt und ermordet wurden. In den KZ wurden homosexuelle Männer und Frauen mit dem „Rosa Winkel“ gekennzeichnet und standen in der Lagerhierarchie ganz weit unten.
Der § 175 StGB (in der BRD) wird erst 1994 ersatzlos gestrichen. Die Abschaffung des §129 Ib erfolgte 1974 in Österreich.