Bernhard Aichner: YOKO
Autorin/Autor: Aichner, Bernhard
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Ein Kapitel, sechs Seiten und schon ist der Blutdruck in ungesunder Höhe angelangt. Bernhard Aichner nimmt keine Rücksicht auf seine Leserinnen und Lesen, er eröffnet diesen Thriller erbarmungslos.
Zwei Opfer: ein kleiner Hund und Yoko. Zwei Täter, die im Hinterhof des Chinarestaurants mit ungezügelter Gewalt agieren.
Bernhard Aichner ist ein wirklich Großer des Thriller-Genres, das merkt man der ab ersten Zeile dieses Romanes. Seine Figuren haben oft etwas gemeinsam: sie geraten in eine scheinbar ausweglose Situation, aus der sie nur entfliehen können, wenn sie selbst zu Täterinnen und Tätern werden. Yoko, ihr Vater nannte sie nach der Frau seines Idols John Lennon, ist zu falschen Zeit am falschen Ort, ein paar Minuten früher oder später und nichts von alledem wäre passiert.
Yoko hat Angst. Sie weiß, dass die beiden Männer, die sie vergewaltigt haben, ihr noch mehr Gewalt antun werden, wenn sie zur Polizei geht. Deshalb kapselt sie sich ein, verschließt sich vor allem und es dauert lange, bis sie imstande ist, jemanden einzuweihen.
In dieser Zeit wird eines für Yoko immer sicherer: Sie wird Rache nehmen, sie wird die Männer, die brutal einfach nahmen, was ihnen gefiel, töten.
Wie sie das machen soll?
Yoko hat in der Metzgerei ihres Vaters gelernt, wie man mit einem Messer umgeht. Als Yoko beginnt Rache zu nehmen, beginnt sie damit auch eine Kette von Ereignissen, die sie nicht mehr kontrollieren kann. Der erste Mord, der zweite Mord … wie weit kann sie gehen, bevor sie von jemandem aufgehalten wird.
Selbst wenn man nicht wüsste, wer diesen Thriller geschrieben hat, dann wäre es schon nach wenigen Absätzen klar: Es kann nur Bernhard Aichner sein.
Die Art, wie er mit wenigen Sätze Spannung erzeugt und die dann bis zum Finale immer weiter hinaufschraubt, ist unverkennbar. Dazu die Dialoge, die in typischer Aichner-Manier aufgeschrieben sind und natürlich – siehe oben – das Grundmotiv: Ein Mensch in Bedrängnis wehrt sich und das geschieht nicht im Rahmen von Gesetz und Moral.
Wie schon bei der Totenfrau-Reihe ist die Hauptfigur eine Mörderin. Diesmal keine Bestatterin, aber als Metzgerin hat sie auch mit ehemaligem Leben zu tun. Dort Brünhilde Blum, die Bestatterin und hier jetzt Yoko, die Metzgerin nützen das, was sie in ihren Berufen gelernt haben, um diejenigen zur Strecke zu bringen, die ihnen unerträgliches Leid zugefügt haben.
In beiden Fällen steht man, allen Morden, die sie begehen zum Trotz, ganz sicher auf der Seite der Mörderinnen, bringt Verständnis für die Selbstjustiz auf, mit der beide Frauen Rache nehmen.
Insofern manipuliert Aichner seine Leserschaft mit Vorsatz gekonnt, unvergleichlich und routiniert. Oder würden wir es denn im wirklichen Leben gutheißen, wenn jemand in unserer Umgebung so einen blutigen Feldzug beginnt, wie Yoko?
Wobei in dieser Aichner-Routine auch eine kleine Gefahr liegt. Denn der Vergleich mit der Totenfrau-Reihe drängte sich mir schon nach wenigen Seiten auf, beide Szenarien sind durchaus ähnlich und weisen Parallelen auf.
Es gibt noch etwas, das die Aichner-Bücher gemeinsam haben:
Einmal mit dem Lesen begonnen, lässt sich das Buch nicht (oder nur sehr schwer, nur wenn es zwingend sein muss) zur Seite legen, bevor es zu Ende gelesen ist.
Es heißt also, den Lesetag um das Buch herum zu planen.