Buchbesprechung/Rezension:

Christian Klinger: Eine Corsa in Triest
Gaetano Lamprecht ermittelt (3)

Eine Corsa in Triest
verfasst am 28.08.2024 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Klinger, Christian
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Als der 1. Weltkrieg zu Ende war, wachten die Menschen in einer neuen Welt auf. Was über Jahrhunderte Gewissheit war und Stabilität versprach, war nicht mehr. Triest, die Hafenstadt der Habsburger Monarchie, war zuvor für mehr als ein halbes Jahrtausend ein Teil Österreichs und nun an Italien angeschlossen.

In diese Stadt, die vertraut und fremd zugleich ist, kehren die vom Krieg versprengten und gezeichneten Menschen zurück. Einer von ihnen ist Gaetano Lamprecht, der vier Jahre im Krieg überlebt hat – Christian Klinger erzählt im dritten Teil der Romanreihe dessen Lebensgeschichte weiter.

Die Lamprechts sind eine der unzähligen Familien in Europa, die nach den Friedensverträgen in einem neuen Staat leben mussten. Wen das traf, musste sich entscheiden: bleiben und sich anpassen oder die Heimat verlassen; so weiterzuleben wie bisher war unmöglich geworden. Wie muss es sich angefühlt haben, plötzlich in einem Staat zu wohnen, in dem man Außenseiter war, plötzlich in einem neuen Staat aufzuwachen, in dem man nur mehr geduldet war?

Gaetano ist einer von Millionen ehemaliger Soldaten, die, gezeichnet für ihr Leben, aus dem Krieg zurückkehrten. In seinem Fall ist es die Rückkehr in die Stadt Triest, die zwar noch genauso aussieht, wie vier Jahre zuvor, als er zur Armee gehen musste, in der sich aber schier alles verändert hat. In der Stadt heizen die Nationalisten und die Faschisten die Stimmung auf, alle Nicht-Italiener müssen um ihre Sicherheit bangen, gleich ob es Slowenen oder Österreicher sind. Es sind die Vorboten der Machtübernahme durch die Schwarzhemden Mussolinis.

Gaetano muss mit allem neu beginnen. Einfach so in seine alte Arbeitsstelle zurückzukehren ist nicht möglich, jetzt werden nur noch Italiener bei der Polizei aufgenommen. Als er nach vielen Mühen wieder eingestellt wird, ist die Behörde nicht mit der vergleichbar, in der er zu Zeiten der Habsburgermonarchie arbeitete; zudem muss er, um überhaupt die Chance zu bekommen, wieder Polizist zu werden, sich von einem Teil seiner Vergangenheit lossagen.

Gaetano und seine Schwester Adina sind jung genug, um den Versuch zu wagen, in den neuen Verhältnissen Fuß zu fassen. Was aber ist mit ihren Eltern und mit dem Onkel? Wie bewältigen sie diese Umstellung? Können sie das überhaupt?

Der dritte Gaetano Lamprecht-Roman ist weniger ein Krimi als vielmehr ein sehr eindringlicher Roman über die Zeit der Ungewissheit und der Umwälzungen nach dem Ersten Weltkrieg. Christian Klinger gelingt mit der Beschreibung der Zustände und wie diese auf die einzelnen Betroffenen einwirkten, eine überaus glaubhafte Darstellung der Verhältnisse.

Nachdem Gaetano wieder in den Polizeidienst aufgenommen wurde, gibt es einige Verbrechen aus dem Umfeld der Faschisten aufzuklären; Mord, Erpressung, Gewalt gehört eben zum Alltag dieser Leute. Ein Mord wurde so geschickt begangen, dass der Verdacht auf Gaetano selbst fällt und er schon nach kurzer Dienstzeit schon wieder suspendiert wird.

Bleibt nur noch zu klären, wie der Roman zu seinem Titel kommt. Neben den politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen ist der Beginn des 20. Jahrhunderts natürlich auch von technischen Entwicklungen geprägt. Das lässt Christian Klinger in seinen Roman einfließen, wenn er die Geschichte des Autokonstrukteurs Kinski erzählt. Dessen Traum ist die Entwicklung eines alltagstauglichen Automobils, das mit Strom betrieben wird. Zur Finanzierung seines Vorhabens lässt er sich auch quasi mit dem Teufel ein: nämlich mit den Faschisten, die mit einem technischen Erfolg die Überlegenheit ihrer Ideologie untermauern wollen. Als es Kinski nicht gelingt, sein Projekt zeitgerecht abzuschließen, gerät er prompt in die Schusslinie seiner Geldgeber, womit sich der Kreis zu Gaetano und zu den Gewalttaten schließt.

Kinskis Chance ist dann ein Wettrennen mit einem anderen Autokonstrukteur, welche der beiden Fahrzeuge die bessre Leistung liefert: einer Corsa in Triest, deren Gewinner die Mittel zur Fertigstellung des Prototyps in Aussicht gestellt werden.

Das, Verbrechen und Technik, aber sind aber nicht die wahren Hauptthemen des Romanes, jedenfalls nach meiner Einschätzung. Das zentrale Thema bleibt die veränderte Welt, in der sich manche zurechtfinden und manche nicht.

Beeindruckt hat mich, wie sehr die Geschichte die Lebensumstände zu erklären versteht, Umstände, die die allermeisten von uns sich nicht vorstellen können, weil es in unserer Lebenszeit nichts Vergleichbares gab; jedenfalls nicht in Mitteleuropa.

So wie alles geschrieben und aufbereitet ist, wird aus „Eine Corsa in Triest“ auch ein sehr aktueller Roman: denn unsere Nachrichten sind auch mehr als einhundert Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges noch immer voller Berichte über Krieg, Eroberung, Vertreibung und Unterdrückung; und ein Ende ist nicht absehbar.

“Eine Corsa in Triest” ist meine unbedingte Leseempfehlung!




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