Manfred Berg: Das gespaltene Haus
Eine Geschichte der Vereinigten Staaten von 1950 bis heute
Autorin/Autor: Berg, Mannfred
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Aus meiner europäischen Perspektive ist das, was in den USA in der Politik vorgeht, erschreckend, seltsam und beängstigend. Zwar nennt sich die Regierungsform auch Demokratie doch unterscheidet sich die Praxis sehr wesentlich von einer Demokratie in Europa, Kanada, Australien oder anderen Demokratien westlicher Prägung.
Die USA, ein tatsächlich zutiefst gespaltenes Land, dessen Risse sich sogar geografisch festmachen lassen. Westküste, Ostküste, der Nordosten und ein paar südliche Staaten gegen die Staaten in der Mitte.
Wobei „In der Mitte“ wirklich nur geografisch zu verstehen ist, denn in Wahrheit sind dort zum überwiegenden Teil die Waffennarren, die Gefolgsleute der Republikaner und Trumps, die Homophoben, die White Supremasists zu Hause.
Dieses Buch ist eine sehr passende Ergänzung zu dem kürzlich erschienen „Die Tyrannei der Minderheit“.
In „Das gespaltene Haus“ erklärt der Geschichtsprofessor Manfred Berg sehr anschaulich und nachvollziehbar, wie aus einem Land, das in den 1940er-Jahren wesentlichen Anteil am Ende der Nazi- und Faschistenregime hatte, das vielen europäischen Ländern zum Aufbau einer stabilen demokratischen Regierungsform verhalf, ein Kandidat für einen Failed State wurde.
Man merkt dem Buch an, dass es von einem Geschichtsprofessor verfasst wurde: Es geht mehr um die Details und Fakten als um die literarische Umsetzung. Dass es dennoch spannend zu lesen ist, das ergibt sich aus der überaus verständlichen Erklärung der Zusammenhänge, der Folgen von Entscheidungen und der Nachwirkung von weltpolitischen in innerpolitischen Ereignissen.
Die Chronologie folgt den Präsidentschaften nach dem 2. Weltkrieg von Truman bis Biden. In jeder Präsidentschaft gab es prägende Weichenstellungen. Zuerst der Beginn des Kalten Krieges, die atomare Aufrüstung, der Vietnamkrieg, die Bürgerrechtsbewegung, das Verschieben der Wählergruppen, die Globalisierung, die Ungleichheit bei der Einkommensentwicklung, die 9/11-Anschläge, der Krieg im Irak und in Afghanistan.
Wie dabei die heute gültigen Elemente der amerikanischen Verhältnisse entstanden und sich zu wahren Glaubensfragen entwickelten, kann man Schritt für Schritt nachlesen. Vom Waffenwahn über religiösen Fanatismus, vom ungebrochenen Rassismus, die Korrumpierung eines großen Teils der gewählten Politker, die ihre Fahne dorthin schwenken, wo das meiste Geld herkommt bis hin zum Putschversuch Trumps.
Alles ist die Folge von Entwicklungen, die oft schon lange vor den 1950er-Jahren ihren Anfang nahmen, die aber erst in den letzten Jahrzehnten zu einer scheinbar unüberwindlichen Spaltung führten.
Dass es so weit kommen konnte, ist auch dem Zwei-Partei-System geschuldet. Während bei uns immer wieder Koalitionen gebildet werden können und das auch laufend geschieht, gibt es in den USA mit den Republikanern und den Demokraten nur zwei maßgebliche Parteien. Weil bei den Republikanern schon seit langem die Rechtsextremisten die Macht übernommen und mit Trump eine adäquate Galionsfigur haben, führt zu einem Patt und gegenseitigen Blockieren im US-Kongress.
Republikaner stimmen nicht für das Land ab, sie stimmen so ab, um ihrem politischen Gegner maximalen Schaden zuzufügen.
Ein insgesamt überaus erschreckendes Bild. Besonders erschreckend aber nachzulesen, dass der Möchtegern-Diktator Trump nicht der Ursprung der Radikalisierung ist, sondern nur deren vorläufiger Höhepunkt.
PS: möge die derzeitige Begeisterung für Kamala Harris bis zu Wahl anhalten. Doch was geschieht, wenn Trump die Wahl im November 2024 verliert? Werden seine fanatisierten MAGA-Gefolgsleute wirklich zu den Waffen greifen?