Mick Herron: Slough House
Ein Fall für die Slow Horses (7)
Autorin/Autor: Herron, Mick
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Die Slow Horses sind eine sehr kleine, sehr unbedeutende Abteilung des britischen Inlandgeheimdienstes MI5. Weil ich mit diesem siebten Roman erstmals in die Slow-Horses-Reihe einsteige, frage ich mich: was machen die denn überhaupt beruflich?
Dieser späte Einstieg ist auch der Grund, warum es etwas länger dauert, bis ich einen groben Überblick über die Mitspielerinnen und Mitspieler und ganz generell über die Ausgangslage habe. Es ist zuinächst wirklich herausfordernd, so viele Namen von Leuten, von denen man dazu oft nicht weiß, was sie tun oder zu welcher Organisation sie gehören.
Was aber von Anfang an sehr verständlich ist, das sind die Dialoge, die Mick Herron schreibt. Die sind nämlich fast immer einfach nur großartig, witzig, flott, oft so komisch, dass ich laut lachen muss.
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Lech. »Es könnte sein, dass mir jemand gefolgt ist.«
[…]
»Es war im Bus auf dem Weg nach Hause.« Wicinski zuckte mit den Schultern. »Kann sein, dass ich mich geirrt habe, aber ich bin vorsichtshalber eine Haltestelle früher ausgestiegen.«»Das hat die Verfolger bestimmt in Angst und Schrecken versetzt. Hat sich jemand ergeben?«
S. 72
Dialoge wie dieser verkürzen die Zeit, bis sich dann langsam aber sicher herausstellt, worum es geht.
Es gibt die Guten, die Bösen, die Coolen und dann gibt es die Slow Horses. Die Leitung der Truppe hat Jackson Lamb, der alleine schon ein halbes Buch mit seinen Marotten und seinen Verhaltensauffälligkeiten füllen würde. Aber egal wie ruppig er mit seinen eigenen Leuten umgeht (die haben sich eh daran gewöhnt), nach außen hin, speziell gegenüber Diana Taverner, der Chefin des MI5, gibt er den Anführer, der sich vor seine Leute stellt; also in gewisser Weise zumindest.
Weshalb er auch sehr hellhörig wird, als er erfährt, dass seine ganze Abteilung aus den Akten der Behörde gelöscht wurde. Nicht genug damit, passiert zu selben Zeit noch ganz etwas anderes zum Thema Auslöschen: Was zuerst zufällig zu sein scheint, das wird bald zu einem beunruhigenden Verdacht: Jemand bringt Mitglieder der Slow Horses um – zuerst einmal nur ein paar ehemalige, aber wer weiß, wie weit das gehen wird …
Erster Verdacht: Putin hat seine Hände im Spiel, seine Auftragsmörder treiben sich bekanntlich gerne in England herum und bringen Menschen um.
Im Mittelpunkt die Agentinnen und Agenten des Slow House, eine Truppe von Leuten, für die in den regulären Abteilungen des MI5 nach diversen Fehltritten kein Platz mehr ist; Slow House ist quasi das Abstellgleis des Geheimdienstes. Jackson Lamb, der Chef von Slow House ist ein Typ, der sich in seinen Sarkasmus einhüllt, als wäre der seine Uniform, der aber aller Grobheiten zum Trotz auf seine Untergebenen aufpasst wie eine Glucke. Auch wenn er das um keinen Preis der Welt zugeben oder zeigen würde.
Doch zu meinen, dass man eine reine Agentensatire liest, wäre ganz falsch.
Im Gegenteil bringt Mick Herron mit den Nowitschok-Anschlägen in England, mit denen im Auftrag Putins Kritiker beseitigt werden sollten, einen überaus realen und gegenwärtigen Aspekt in die Handlung ein. Was in Folge dieser Anschläge im und um das „Slough House“ herum passiert, das mag vielleicht reine Fiktion sein, aber wir würden es wohl auch nicht wissen, wenn ähnliches tatsächlich stattgefunden hätte. Und damit ist man in einem wirklichen Agententhriller gelandet, in dem gilt: Wer zu spät reagiert ist tot.
Der Roman ist eine schon fast geniale Symbiose aus Slapstick, Satire und kompromisslosem Agententhriller. In einem Absatz kann man sich kaum halten vor Lachen, um nächsten liest man sich durch die detailliert Sequenzen eines Mordes. Spannung und Humor schaffen es, perfekt zusammenzupassen.
Kurzum: ich bin jetzt ein Fan der Slow Horses!