Buchbesprechung/Rezension:

Ernst Kaufmann: Wiener Herz am Sternenbanner
Bruno Granichstaedten. Stationen eines Lebens

Wiener Herz am Sternenbanner
verfasst am 21.09.2024 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Kaufmann, Ernst
Genre:
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Eine Hommage an einen fast vergessenen Künstler

Ernst Kaufmann, der als Autor von Kriminalromanen bekannt ist, hat mit dieser Biografie das Leben des Komponisten Bruno Granichstaedten (1879-1944) aus der Vergessenheit geholt.

Viele Leser werden denken, Bruno Granichstaedten? Nie gehört.

Bruno wird am 1. September 1879 als Sohn eines jüdischen Rechtsanwalts in Wien geboren. Schnell wird klar, dass der Knabe musikalisch ist und erhält Klavierunterricht unter anderem von Anton Bruckner (1824-1896), dessen 200. Geburtstag aktuell gefeiert wird.

Ernst Kaufmann erzählt detailliert und pointiert aus Granichstaedtens Kindheit und Jugend sowie über die ersten Erfolge als Komponist, spart aber die eine oder andere Enttäuschung nicht aus. Der junge Granichstaedten hat viel Erfolg bei den Frauen, weshalb Privatleben mitunter ein wenig turbulent ist.

Nach der Machtübernahme der Nazis glaubt er, wie so viele andere jüdische Bewohner Österreichs, seine Teilnahme als Soldat im Ersten Weltkrieg sowie seine Bekanntheit können ihn retten, zu mal er ja katholisch getauft war. Während seine Tochter Johanna geradezu prophetisch die Gräuel des Regimes erkennt und 1938 in die USA emigriert, schafft es Bruno 1940 mit seiner aktuellen Lebenspartnerin und Sängerin Rosalie Kaufmann (1910-1979) gerade noch rechtzeitig nach Amerika. Sein Sohn Felix aus erster Ehe wird von der Gestapo abgeholt und 1943 ermordet.

Obwohl Granichstaedten einige Empfehlungen hat, kann er in Amerika nicht Fuß fassen. Zum einen hat er in den zahlreichen anderen geflüchteten jüdischen Komponisten, die es schon viel früher nach Amerika verschlagen hat, eine große Konkurrenz und zum anderen findet seine Musik nicht den Anklang wie erwartet.

Der herzkranke Bruno Granichstaedten stirbt am 30. Mai 1944 in New York.

Meine Meinung:

Ernst Kaufmann, dessen Vater der Bruder von Rosalie Granichstaedten-Kaufmann ist, hat hier eine lebendige Biografie des Komponisten geschrieben. Der Schatten, der durch die NS-Diktatur über Europa liegt, ist auch im Schreibstil zu finden. Die ersten Kapitel sind leicht und locker zu lesen. Bruno Granichstaedten komponiert zahlreiche eingängige Melodien und hat mit seinen Operetten großen Erfolg. Nach und nach verdüstert sich Leben und Erzählung. Jüdische Musik ist nicht mehr gefragt und wird verboten, weshalb Granichstaedtens Einkommen stetig schrumpft. Er will Österreich respektive Deutschland, wie so viele seiner jüdischen Zeitgenossen, nicht verlassen. Seine Tochter Johanna (aus der Ehe mit Selma) hat hier den größeren Weitblick.

Die Jahre der Flucht nach Luxemburg und die spätere Emigration in die USA haben wenig von der Leichtigkeit der Worte aus dem ersten Teil der Biografie gemein. So wie Granichstaedten als Person in eine Depression rutscht, wirkt auch die Schilderung seiner letzten Lebensjahre. Die Leichtigkeit der Zwischenkriegszeit mit Granichstaedtens Erfolgen ist verklungen.

Was bleibt von Bruno Granischstaedten?

Granichstaedten schuf 16 Operetten, zu denen er teilweise auch die Libretti schrieb sowie Dutzende Lieder, von denen das wohl bekannteste das „Zuschau’n kann i net“ für den Zahlkellner Leopold im „Weißen Rössl“ von Ralph Benatzky zählt.

Ernst Kaufmann, der selbst Musik studiert hat, beschreibt detailgetreu die Arbeit des Komponierens, die bei Granichstaedten oft bis zur Erschöpfung ging. Einmal im Flow, kann er nicht aufhören.

Das Buch enthält nicht nur die Beschreibung der wesentlichen Stationen von Bruno Granichstaedtens Leben, sondern auch zahlreiche Fotos aus seinem Nachlass, ein Werkverzeichnis, das die Vielseitigkeit des Künstler darstellt sowie Ausschnitte aus Zeitungskritiken, die in kursiver Schrift gehalten, sich vom übrigen Texte abheben und eine Zeittafel. Gut gefallen mir die Kurzbiografien von Bruno Granichstaedtens Weggefährten wie Taufpate und Volksschauspieler Alexander Girardi, Komponist Anton Bruckner, Schriftsteller Frank Wedekind oder die Brüder Hubert und Ernst Marischka, die in der Nachkriegszeit mit den „Sissi-Filmen“ bekannt werden.

Im Vorwort würdigt Prof. Herbert Prikopa (1935-2015), selbst Künstler, Sänger und Kabarettist, Bruno Granichstaedten als großen Künstler.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser detaillierten Biografie des vielseitigen Künstlers Bruno Granichstaedten, der aufgrund seiner jüdischen Herkunft im deutschen Sprachraum verfemt und zur Flucht getrieben worden ist, 5 Sterne.




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