Katrine Engberg: Aschezeichen - Die Wunden der Schuld
Liv-Jensen-Reihe (2)
Autorin/Autor: Engberg, Katrine
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Was ein Camping- und Angelausflug werden sollte, wird zum Horror für die 14-jährige Shirin. Ihr Bruder Cyrus ist verschwunden und als ihr Vater auf ihre Rufe nicht reagiert, findet sie ihn findet in seinem Zelt: tot, mit durchschnittener Kehle.
Es ist ein Zufall, dass das Verbrechen rasch entdeckt wird. Die drei campierten auf einer Insel, auf der sonst nur der Naturpfleger, der sich um das Naturschutzgebiet kümmert, lebt. Er entdeckt den Toten, aber von den beiden Teenagern fehlt jede Spur.
Woraus sich gleich mehrere Fragen für die Polizei ergeben: wie gelangten die drei überhaupt auf die Insel, auf der Angeln und Campieren verboten sind. Wusste der Naturpfleger von der Anwesenheit der Familie? Was ist mit den Kindern geschehen – haben sie den Vater getötet oder wurden sie ebenfalls ermordet und man würde ihre Leiche noch finden?
Ein Fall, in dem die Polizei an Liv Jensen herantritt, um sie um ihre, wenn auch inoffizielle Mithilfe zu bitten. Liv Jensen verdient nach ihrem Ausscheiden aus dem Polizeidienst mehr schlecht als recht ihren Lebensunterhalt als Privatdetektivin. Petter Bohm, ihr früherer Vorgesetzter, setzt auf Livs Kenntnis als frühere Polizistin und Liv sagt umgehend ihre Mitarbeit zu. Zwar wird sie sich damit nicht mehr als ein paar Mittagessen verdienen, aber sie ist eben noch immer durch und durch Polizistin.
Einerseits weiß sie, wie man ermittelt, andererseits tritt sie nicht als Vertretern einer Behörde auf und kann so Kontakte mit Menschen knüpfen, die sich der Polizei gegenüber niemals öffnen würden.
Denn dieser Fall berührt eine Vielzahl an brennenden Themen, die schon lange an der Stabilität unsere Gesellschaft rütteln. Sehr geschickt erinnert Katrine Engberg durch die Story auch daran, dass diese heute so hochaktuellen Themen nicht erst in jüngerer Vergangenheit hochkamen, sondern schon seit vielen Jahren, Jahrzehnten präsent sind.
Die Spuren führen in sehr unterschiedliche Richtungen: ein schief gelaufener Rauschgiftdeal kann zu dem Mord geführt haben. Oder spielt die Herkunft des Opfers eine Rolle, der vor dreißig Jahren auf der Flucht vor dem Mullahregime aus dem Iran nach Dänemark geflüchtet war? Zwischen Bandenkriminalität und der Frage, mit welchen Motiven Menschen als Flüchtlinge in Not oder als vermeintliche Flüchtlinge mit einer verborgenen Agenda Asyl in Europa suchen (Europa, denn was in Dänemark, wo dieser Thriller spielt, passiert, kann auch überall anders passieren) wird sich ein Motiv finden lassen.
Ganz gleich, was letztendlich das Ergebnis der Ermittlung sein wird: ob es kriminelle Banden oder politische oder religiöse Fanatiker sind: Was alle antreibt, das sind Machtwahn, Gewalt und Skrupellosigkeit.
In diese Szenerien taucht Liv Jensen ein und dringt dabei in jene Parallelwelten vor, die sich in unseren Breiten meist unterhalb der Wahrnehmungsgrenze der Öffentlichkeit halten. Nur hin und wieder wird unsere Aufmerksamkeit durch besonders brutale oder spektakuläre Taten dorthin gelenkt.
Das alles schreibt Katrine Engberg in einem nahezu beunruhigend ruhigen Stil, womit man in das Geschehen gewissermaßen immer weiter hineingleitet. Schritt für Schritt deckt Liv Jensen die Hintergründe auf, erfährt von Verbrechen, die Jahrzehnte zurückliegen und wird mit Tätern konfrontiert, die sich für unangreifbar hielten, bis ihnen jemand auf die Spur kam.
Der Roman beeindruckt mich nicht allein durch die Spannung, die sich langsam aufbaut, sondern vor allem dadurch, dass alles, was man liest, durchaus auch in der Realität vorstellbar ist. Das ist dann schon tatsächlich beunruhigend.
Sieben Romane von Katrine Engberg habe ich bisher gelesen und alle haben mich wirklich beeindruckt.
Eine unbedingte Leseempfehlung!