Buchbesprechung/Rezension:

Mary Beard: Die Kaiser von Rom
Herrscher über Volk und Reich

Die Kaiser von Rom
verfasst am 25.09.2024 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Beard, Mary
Genre:
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Näher an die Lebensumstände und den Alltag im Römischen Reich als in den Büchern von Mary Beard kann man kaum kommen. Wenn es schon keine bewegten Originalbilder gibt, so sind die lebensnahen Beschreibungen der englischen Historikerin das beste, womit man sich zum Verständnis der Antike beschäftigen kann.

Der Buchtitel „Die Kaiser von Rom“ mag anderes versprechen, aber im Inhalt findet man keine Biografien oder Chroniken der Regierungszeiten der römischen Kaiser. Wenn etwas davon thematisiert wird, dann sind Kriegszüge oder politische Weichenstellungen quasi nur Nebenschauplätze, Ereignisse, die Auswirkung auf den Alltag Roms haben.

Die Themen des Buches sind die Einblicke in den Alltag des Lebens der Kaiser, über ihre gesellschaftliche Stellung, über ihre Neigungen und ihren Lebenswandel. Das umfasst weite Bereiche von der Struktur eines kaiserlichen Haushaltes, über das antike Äquivalent zur Öffentlichkeitsarbeit, von Essensgewohnheiten bis zu den überaus grausamen Vorlieben vieler Herrscher.

Immer wieder stellt Mary Beard klar, wie wenig transparent die Quellen sind, die uns aus der Zeit zur Verfügung stehen. Denn, die erhaltenen Aufzeichnungen sind weitaus öfter von persönlichen Interessen geprägt, als wir es aus der modernen Geschichtsschreibung kennen.

Diejenigen, die damals für sich in Anspruch nahmen, das Geschehen für die Nachwelt aufzuschreiben, waren zumeist davon geleitet, was sie mit ihren Auszeichnungen bezwecken wollten. Es ging zwar auch um historische Tatsachen, das aber stand meist nicht im Vordergrund. Persönliche Interessen der Autoren oder Umdeutung, um die eigene Position zu stärken, waren deren wesentlichen Motive.

Die Herausforderung für Historikerinnen und Historiker liegt nun darin, objektive Wahrheit von subjektiver Meinungsbildung zu trennen.

Mary Beard unternimmt diesen Versuch, die Kaiser zu verstehen: Welche Position nahmen sie im Staat ein, wie wirkten sie auf die Bevölkerung ein und was bewirkten sie für das Reich. Wie wurden Entscheidungen getroffen, welche persönliche Macht hatten die Kaiser und worauf stützte sich diese Macht?

Den Zeitraum, den das Buch zum Inhalt hat, sollte man in die richtige zeitliche Relation setzen, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Dreihundert Jahre aus dem Jahr 2024 zurückgerechnet, gelangt man an den Beginn des 18. Jahrhunderts und damit eine völlig andere Weltordnung als unsere heutige. Somit kann man ein wenig sich vorstellen, wie viel sich in dem Zeitraum, über den Mary Beard hier schreibt, verändert haben mag.

Aber, und auch das ist überaus interssant, änderte sich in Bezug auf das Kaisertum in Rom in den rund 300 Jahren, über die man im Buch liest, vergleichsweise wenig. Sieht man von wechselnden kriegerischen Auseinandersetzungen an den Rändern des Imperiums ab, war das Rom der frühen Kaiser eine Zeit, in der die wesentlichen Grundsätze sich nur träge änderten. Erst danach begannen sich die Strukturen des Reiches in immer höheren Tempo zu ändern, wurde das Reich geteilt und brach Westrom später unter dem Ansturm der Germanen zusammen.

Rom ist in vielen Bereichen Ausgangspunkt für eine Entwicklung, die bis in die Gegenwart nachwirkt. Rechtsprechung, Staatsorganisation, Architektur bis hin zur Sprache und noch heute benutzen Transitwegen sind ein paar dieser Aspekte, die unser Leben auch im Jahr 2024 noch beeinflussen.

Beim Lesen dieses Buches wird gleichzeitig aber auch deutlich, wie sehr sich Gesellschaft und Lebensweise von den unsrigen unterscheiden, jedenfalls in unseren westlichen Demokratien. Eine Erkenntnis, die man aus dem hier zu Lesenden gewinnt, ist, dass die alten Moralvorstellungen nicht mit den unseren vergleichbar sind.

Wenn auch dieses Fazit natürlich nicht zur Gänze zutrifft. Denn, auf Europa bezogen, folgten die Faschisten und Nazis im 20. Jahrhundert in ihrer Brutalität, Menschenverachtung und Mordlust in gewisser Weise den Zuständen im antiken Rom. Mussolini in seinem Größenwahn sah sich ja auch modernen Caesar. Ein Blick zurück, das wird damit sehr deutlich, ist auch immer ein Blick in die Gegenwart, überhaupt dann, wenn es um das Römische Reich geht.

Mit ihrem Buch „SPQR“ hat Mary Beard schon einen Standard für die Erklärung und Analyse des alten Rom gesetzt. Das vertieft und erweitert sie mit „Die Kaiser von Rom“ in adäquater Weise.

Wer sich in das Leben in der Antike ein umfangreiches und detailliertes Bild machen möchte, wird um dieses Buch nur schwer herumkommen.




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