Buchbesprechung/Rezension:

Matt Haig: Die Unmöglichkeit des Lebens

Die Unmöglichkeit des Leben
verfasst am 12.09.2024 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Haig, Matt
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

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[Gesamt: 3 Durchschnitt: 3.3]

Grace Winters, 72 Jahre alt und pensionierte Mathematiklehrerin, bricht zu einer Reise auf die Insel Ibiza auf und als Leser habe ich von Anfang an eines mit ihr gemeinsam: Ich habe nicht die geringste Ahnung, wohin das alles führen wird und wie es enden könnte.

Es geschieht nicht oft, dass man ein Haus von einer Person erbt, mit der einen vor Jahrzehnte eine flüchtige Bekanntschaft verband. Grace passiert genau das, als sie von einer Anwaltskanzlei informiert wird, dass sie ein kleines Anwesen auf Ibiza geerbt hat. An Christina van der Berg kann Grace sich zwar noch gut erinnern, aber es ist ihr völlig unbegreiflich, warum gerade sie, Grace, etwas erben sollte. Gibt es denn keine Familie, keine engen Freunde?

Wie und warum Christina ums Leben kam, lässt sich aus der Ferne nicht ermittelt. Dies und die Neugierde sind am Ende die Gründe, warum Grace sich in einen Flieger setzt, mit einem One-Way-Ticket, um vor Ort zu erfahren, was geschah. Einfach so ihre Heimat hinter sich zu lassen, fällt ihr nicht schwer, Karl, ihr Ehemann und Daniel, ihr Sohn leben nicht mehr.

Zurück zur Ahnungslosigkeit: Matt Haig ist so freundlich und teilt die Verwirrung seiner Hauptdarstellerin oft und gerne mit seiner Leserschaft. Quasi so, als würde er zwischendurch immer wieder bestätigen, dass alles, was man liest, ja wohl nicht real sein kann und man, als Teil dieser Leserschaft, sich nicht beunruhigen sollte. Denn Grace ist ja ebenso in seltsamen Vorgängen verstrickt und sichtlich noch verwirrter als man selbst.

Man erlebt eine grenzenlose Reise durch eine fantasievolle Realität, voller überraschender Ideen und seltsamer Vorgänge. Beim Lesen erlebe ich einige Déjà-vu-Momente, wenn mich vieles an andere berühmte Geschichten erinnert. Erinnerungen an Szenen aus den Filmen „Sphere“, „Stargate“, „Contact“ oder „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ (und einige mehr) tauchen auf und etliche Parallelen zu Science-Fiction-Romanen, in denen Mutanten mit PSI-Gaben vorkommen.

So vielfältig die Verweise sind, so lange ist die Liste der Genres, in die man diesen Roman einordnen kann. Lebensgeschichte oder Science Fiction, Fantasie oder Suspense, Horror oder Krimi. Oder eine besondere Art von Umweltthriller? Denn in alledem verbirgt sich auch noch ein Blick auf das, was Menschen mit unserem Planeten anstellen, wenn um Geld und Macht geht. Herauszufinden, welche Art von Roman man liest, bleibt die Herausforderung bis zum Schluss.

Matt Haig gönnt sich in seiner Story viele, sehr weite Ausschweifungen, was durch recht kurze Kapitel quasi kompensiert wird. So sehr ich normalerweise allzu viele Nebenschauplätze nicht wirklich mag, so schafft es Matt Haig doch, diese Geschichten, Erinnerungen, kleinen Episoden kurzweilig zu halten. Wenn ich aber doch meine, dass etwas weniger davon dem Roman insgesamt gutgetan hätte.

Grace‘ Reise nach Ibiza wird zu einem Fantasy-Trip und wenn man nicht wüsste, dass das Buch gerade erst erschienen ist, könnte man es auch guten Gewissens den 1970ern zuordnen, als alles ein bisserl „bunter“, „psychedelischer“ und „sphärischer“ war.

Zu Beginn ist ihr einziges Interesse herauszufinden, wie Christine ums Leben kam. Ein Unfall, beim Tauchen, aber niemand möchte oder kann genaues dazu sagen, die Polizei ist nicht sehr eifrig beim Ermitteln, wenngleich es doch auch ein unnatürlicher Tod gewesen sein könnte. Grace lernt Alberto Ribas kennen, vor dessen Bekanntschaft sie alle gewarnt haben. Doch um die Wahrheit zu erfahren, bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als diesen ungehobelten und seltsamen Mann aufzusuchen. Immerhin verspricht er, Grace alles zu offenbaren. Das aber geschieht in völlig anderer Art und Weise, als man es sich vorstellen kann.

Matt Haig lässt seiner Fantasie ab jetzt freien Lauf, es scheint nichts zu geben, was ihm an fremdartigen, unerklärlichen, vielleicht sogar außerirdischen Phänomenen zu schräg wäre, um es nicht in die Erzählung einzubauen.

Das Fazit?

„Die Unmöglichkeit des Lebens“ würde ich als einen Science-Fiction-Roman bezeichnen, der seine wahre Natur überaus geschickt hinter allerlei literarischen Nebelschleiern verbirgt. Es sind eben nicht unbedingt Raumschiffe nötig, um eine Geschichte zu erzählen, die, wenn hier auch beinahe unmerklich, die Erde verlässt. Dabei öffnet sich ein Blick auf die möglichen Wunder, die wir vielleicht sehen könnten, wenn wir nur wüssten, wo wir hinsehen sollten.

Dazu kommt noch die Verwandlung der Grace Winters: bei der Anreise noch von Selbstzweifeln und Vorwürfen gegenüber sich selbst geplagt, verschafft ihr das geheimnisvolle Geschehen auf der Insel einen neuen Start, der nichts anderes als die Chance auf ein zweites Leben ist.

Es bleibt am Ende eine leise, wundersame und wunderbare Erzählung über Dinge, die sich unserer Wahrnehmung entziehen und darüber, dass das Leben immer voller Überraschungen bleibt.




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