Alex Beer: Die weiße Stunde
Ein Fall für August Emmerich - Band 6
Autorin/Autor: Beer, Alex
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Eine Reise zurück ins Jahr 1923. In eine Stadt Wien, die ihren imperialen Glanz verloren hat, die uns, würden wir in die Zeit zurückreisen, manchmal sehr bekannt, manchmal fremd erscheinen würde.
Fremd, das sind beispielsweise Gebäude wie der Heinrichshof direkt gegenüber der Staatsoper oder die Rotunde im Prater. Beide sind verschwunden, abgebrannt oder durch Bomben zerstört.
Zu der Zeit aber, in der der sechste Roman mit August Emmerich spielt, steht der luxuriöse Heinrichshof noch und ist der Schauplatz des Mordes an einer Dame der Gesellschaft. Marita Hochmeister liebte den Luxus und fand es angebracht, sich von wohlhabenden Herren aushalten zu lassen. Weil sie dabei auch vor Erpressung nicht zurückschreckte, scheint das Motiv für den Mord doch recht eindeutig und ein Verdächtiger ist bald gefunden. Emmerich und sein Assistent Winter schaffen es jedoch nicht, dem Mann ein Geständnis zu entlocken.
Jetzt, denn das geschieht alles schon rund um die Seite 100 des Buches, muss man annehmen, dass die Sache damit noch lange nicht ausgestanden ist. Und man wird bald erfahren, wie recht man mit dieser Annahme hatte.
Könnten hinter dem Mord an Marita Hochmeister gleich mehrere Motive stehen, so sind diese bei nächsten Opfer gänzlich unerklärlich. Dass es aber um ein und denselben Täter handeln muss, das beweist die Grausamkeit, mit der die Morde begangen wurde. Und dann taucht ein pensionierter Kriminalbeamter auf, der fest davon überzeugt ist, dass es sich um die Fortsetzung einer zehn Jahre zurückliegenden Mordserie handelt. Damals konnte er den Täter nicht zweifelsfrei überführen, ist jedoch fest davon überzeugt, dessen Namen zu kennen.
Während sich ein Mörder in Wien herumtreibt, der äußerst brutal vorgeht, ist die ganze Stadt auch aus anderen Gründen voller Unruhe. Die steigende Inflation, die Faschisten, die immer ungenierter die Straßen okkupierten, die Armut der einen und der ungezügelte Lebenswandel der anderen. Der kleine Rest des alten Habsburgerreiches bröckelt an allen Ecken. Alles fühlt sich beinahe an wie der Tanz auf dem Vulkan, der demnächst ausbrechen wird.
Alex Beer gelingt es, wie schon in der ganzen Krimireihe, auch in diesem Roman wieder, einen dichten Endruck von den Verhältnissen der Zeit zu vermitteln.
Emmerich und Winter sind so unterschiedlich, wie zwei Kriminalbeamte nur sein können. Der impulsive Vorgesetzte, der unter anderem darauf achten muss, nicht sein ganzes Geld an die Schimpfwortkassa abliefern zu müssen. Der sensible und korrekte Assistent Winter, der dann doch gelegentlich Emmerichs Methoden verwendet, wenn es der Sache dient. Aber Gegensätze ziehen sich an und daraus hat Alex Beer ein sympathisches und charaktervolles Team geformt, das man wirklich gerne bei der Arbeit begleitet.
Spuren, die in Sackgassen führen und Spuren, die schon als sicher Angenommenes wieder in Zweifel ziehen.
Es ist nicht (nur) eine prickelnde, ansteigende Spannung, die beim Lesen fesselt, sondern auch die so realistisch beschriebene Arbeit von Emmerich, Winter und ihren Kollegen.
Ein Kriminalroman, der die Atmosphäre der Zeit nahtlos mit einem fein gesponnenen Fall verbindet. Genau so soll es weitergehen!
PS: im Nachwort ist zu nachzulesen, wie sehr dieser Roman im Geschehen des Jahres 1923 verankert ist.