Buchbesprechung/Rezension:

Eric-Emmanuel Schmitt: Das Tor zum Himmel
Noams Reise (2)

Das Tor zum Himmel
verfasst am 25.12.2024 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Schmitt, Eric-Emmanuel
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

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[Gesamt: 2 Durchschnitt: 5]

Direkt an den ersten Roman – „Der Morgen der Welt“ – schließt dieser zweite an. Noam erwacht nach einer unbestimmt langen Zeit. Niemand ist mehr überrascht als er selbst, am Leben zu sein, denn nach seiner Erinnerung müsste er tot sein.

Nun findet er sich in einer Höhle hinter einem Wasserfall, bei Kräften und jugendlich wie eh und je. Es ist ein Ort, den er nicht kennt und an dem sich niemand außer ihm befindet. Auch ein Blick aus der Höhle hinaus vermag nicht, ihm Klarheit zu verschaffen. Als hätte sie sein Erwachen gespürt, betritt wenig später seine geliebte Nura die Höhle; sie kann ihm von dem berichten, was geschah, doch noch zögert sie, Noam alles zu enthüllen. Denn davon zu hören, was mit ihm geschah, würde ihn, so kurz nach seinem Wieder-Erwachen, zu sehr schockieren.

Als endlich die Zeit für Noam gekommen ist, um in die Welt hinauszugehen und sich sein Traum vom ewigen Leben mit Nura zu erfüllen scheint, wird alles zerstört. Nura wird entführt. Auf seiner jahrelangen Suche hört Noam vom gnadenlosen König Nimrod, in dessen Auftrag die schönsten Frauen aller Weltregionen entführt werden, um ihm zu dienen.

Noam gelangt mithilfe von Freunden in die Stadt Babel, wo Nimrod residiert. Nur dort kann Nura sein, denn wo sonst in dieser unendlich erscheinenden Welt soll er seine Geliebt finden. Doch zuerst trifft er auf einen anderen Unsterblichen, einen, der auch in der Vergangenheit Angst und Schrecken verbreitete.

An der Wiege der Zivilisationen

Im geografischen Zentrum des Romans befindet sich das Zweistromland mit Euphrat und Tigris, damals vor rund vier Jahrtausenden ein fruchtbares Land und eine der Wiegen der Zivilisation. Zugleich aber gab es Verbindungen in sehr weit entfernte Regionen. Noams Erzählung macht verständlich, dass auch damals schon ein reger Austausch stattfand, dass an vielen Orten die Entwicklung der Grundlagen unserer heutigen Welt, stattfand.

Ob es eine vergessene Königin in Mesopotamien ist, oder die Erzählung über den sagenhaften Herrscher Nimrod, oder die Entstehung der Keilschrift. Dazu noch die „Wahrheit“ über den Turmbau zu Babel und immer wieder die Überschneidung von Noams Lebensweg mit den Überlieferungen, Legenden und Namen, aus denen das Alte Testament entstand.

Leicht zu überlesen ist der historische Bezug zum Namen Naram-Sin, den Noam sich als Heiler gibt, um auf der Suche nach Nura unerkannt in die Stadt Babel zu gelangen.

Man wird zu vielen der Personen und Orten, die in Noams Reise eine Rolle spielen, Entsprechungen in der Geschichte der Antike finden; wenn auch (gelegentlich und es der Handlung dient) umgedeutet oder verändert. Es lässt sich aber auch anders betrachten: dass nämlich in diesem Roman ganze Abschnitte des Alten Testaments neu geschrieben werden, während zugleich die Bibel in ihrer Gesamtheit erklärt und damit entmystifiziert wird.

Das alles ist zum einen eine sehr passende Form, um die Entwicklung der menschlichen Zivilisation zu beschreiben und zum anderen gelingt es Éric-Emmanuel Schmitt damit, die Fiktion einer durchgehenden Ereignisfolge entstehen zu lassen. Er verbindet Noams Reise durch die Zeit wie selbstverständlich mit den Meilensteinen der Menschheitsgeschichte und den in der Bibel und im Koran verewigten Legenden aus der vorchristlichen Zeit. Beim Lesen wird auch bewusst, was wir in unserem Alltag gar nicht (be)merken: die vielen direkten Nachwirkungen, die bis in unsere Gegenwart reichen, wie viel von unserem heutigen Verständnis und Erleben der Welt im alten Mesopotamien seinen Anfang nahm.

Die Spannung des Romanes ergibt sich aus dieser scheinbar mühelosen Zusammenführung zu einem harmonischen Ganzen.

Überaus positiv für den Lesefluss ist auch, wie ich finde, wie die in die Handlung eingebundenen geschichtlichen Ereignisse, Personen und Beschreibungen des Alltags erklärt werden. Schmitt setzt das nicht in den Text hinein, sondern lagert alles in Fußnoten aus, in denen er Noam erklären und mit Informationen über das, was oben geschieht, ergänzen lässt.

Außerdem zahlt es sich aus (der Roman hat mich dazu motiviert) wieder einmal in der Geschichte Mesopotamiens nachzulesen und noch mehr über das erfahren, was in diesem Buch manchmal nur thematisch gestreift oder angedeutet wird.

Es wird weitergehen …

Auf diesen zweiten Roman der Reihe habe ich schon, zugegeben etwas ungeduldig, gewartet. Noch mehr möchte ich nun, nachdem ich diesen zweiten Teil fertig gelesen habe, wissen, wie und wohin Noams Reise durch die Jahrtausende weitergeht.

Es ist eine faszinierende Geschichte, die Eric Emmanuel Schmitt selbst als sein Lebenswerk bezeichnet.

Und es ist nicht weniger als das: eine beeindruckende Romanreihe, die in ihrer Mischung aus Fiktion, Utopie, Mythen und historisch belegbaren Fakten, ein wirklich besonderes Stück Literatur ergibt!




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