Josephine Tey: Wie ein Hauch im Wind
Inspector Grants vierter Fall
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Autorin/Autor: Tey, Josephine
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Leslie Searle sorgt in der Gesellschaft des kleinen Ortes Salcott St Mary für Aufsehen. Zwar hat sich dort eine ganze Schar von party-erfahrenen Künstlern angesiedelt, aber so einen wie Searle haben sie alle noch nicht kennengelernt.
Ein Amerikaner und Fotograf, das mag ja noch angehen. Dass der junge Mann aber so außergewöhnlich attraktiv ist und dazu noch eine undefinierbare Anziehungskraft ausübt, das ist dann doch bemerkenswert. Recht bald entwickeln einige Leute eine tiefe Abneigung, andere sind durch Leslies Anwesenheit beunruhigt und wieder andere suchen seine Gesellschaft. Eine unheilvolle Stimmung macht sich breit.
Ein solche ergreift auch Walter Whitmore, den landesweit bekannten Radiomoderator, als er bemerkt, dass sich zwischen seiner Verlobten Liz und dem Fotografen etwas mehr zu entwickeln scheint, also bloße gesellschaftliche Freundlichkeit. Für Walter, den sonst so Entspannten und Selbstbewussten, eine mehr als unerwartete Entwicklung.
Das ruhige Wasser von Walters Selbstzufriedenheit kräuselte sich ein wenig.
Ob es jetzt eine gute Idee ist, wenn Walter und Leslie zu einer Kanutour auf dem Fluss Rushmere aufbrechen? Doch es geht um ein Buchprojekt, zu dem Walter den Text und Leslie die Fotografien beisteuern sollen und für das bereits ein Verleger gefunden wurde.
Nach ein paar Tagen verschwindet Leslie Searle spurlos.
Inspector Grant von Scotland Yard wird nach Salcott St Mary geschickt, um das Rätsel des verschwundenen Amerikaners zu lösen. Wie es der Zufall will, kennt der Inspektor die meisten der involvierten Personen. Ja, er war es sogar selbst, der Leslie ein paar Wochen zuvor bei einem Empfang in London dessen späterer Gastgeberin Levinia Fitch, gefeierte Bestsellerautorin und Liz‘ Tante, vorgestellt hatte. Levinia war von dem jungen Mann sofort angetan und lud ihn auf ihren Landsitz ein. Womit die Ereignisse ihren Anfang nehmen konnten.
Weil „Wie ein Hauch im Wind“ ein Fall für Inspektor Grant ist, ist es natürlich ein Kriminalroman. Zugleich aber auch (wenn nicht sogar vorrangig) ist es eine Gesellschaftssatire, die die Bewohner dieser kleinen Künstlerenklave sehr pointiert aufs Korn nimmt. Deshalb lässt es sich von Anfang an Mit-Schmunzeln und manchmal meine ich an der Wortwahl zu erkennen, dass die Autorin (oder war es der Übersetzer?) einigen Abschnitte mit einem überaus ironischen Schmunzeln schrieb.
Hat man sich einmal in die persönlichen Verhältnisse im Ort eingelesen und verstanden, welche Rolle die handelnden Personen spielen, wird aus dem Roman sehr schnell ein wahrer Pageturner.
Es entwickelt sich ein spannende und vor allem wohldurchdachte Story. Viele kleine Brotkrumen wird Josephine Tey ihren Leserinnen und Lesern vor die Füße, die, man bemerkt es erst ganz am Ende, ein auch selbst hätte auf die Lösung bringen können.
Mit Romanfigur Alan Grant spielt eine Romanfigur die Hauptrolle, die überaus sympathisch wirkt. Wenn man erst einmal ein paar dieser Romane gelesen hat, wird man feststellen, dass der Inspektor sich durchaus mit den insgesamt weitaus berühmteren Romandetektiven wie Hercule Poirot oder Sherlock Holmes messen kann. Leider ermittelte Grant nur in sechs Fällen; diese Romane sollte man als Krimifan aber unbedingt lesen.
PS: Sehr beeindruckt bin ich davon, wie schnell und oft damals Briefe zugestellt wurden. Sei es bei Agatha Christie, Georges Simenon oder eben bei Josephine Tey: bei ihnen allen erhält man einen Brief spätestens am folgenden Tag, wenn nicht sogar am selben. Wer braucht da noch E-Mail?