Olga Flor: Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang
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Autorin/Autor: Flor, Olga
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Was, wenn es die Menschheit mit ihrem Egoismus und ihrer Hybris es doch irgendwann schafft, die Erde selbst an den Rand der Zerstörung zu bringen?
Dass wir unsere Umwelt trotz aller Katastrophen weiterhin und jeden Tag mehr ausbeuten, kaputt machen, vernichten, das ist Alltag. Bisher hieß es, dass es die Erde schon überleben würde, wenn, dann löscht sich die Menschheit selbst aus.
Nun aber ist es gelungen: Die Erdachse kippt. Suche nach Rohstoffen in gigantischem Ausmaß hat bewirkt, dass die Erde nicht mehr senkrecht, sondern beinahe waagrecht zur Umlaufbahn rotiert – sie rollt jetzt um die Sonne. Der Tag/Nacht-Wechsel, die Temperaturen, die Winde – alles ist außer Kontrolle geraten. Das ging so schnell, niemand konnte sich vorbereiten.
Katastrophenszenarien gibt es unüberschaubar viele, dieses hier beschriebene ist umfassender, als man es je in einem Roland Emmerich-Blockbuster (oder ähnlichen) gesehen hat. (Wie alles nach der Katastrophe aussieht ist zwar erklärt, aber so richtig habe ich nicht verstanden).
Es ist aber auch gar nicht so wichtig diese Details zu kennen, sondern vielmehr zu erfahren, wie es weitergeht. Denn das alles hat natürlich unzählige Leben gekostet, Menschen, Tiere. Pflanzen und die Zivilisation ist auf dem Weg zurück in vorgeschichtliche Zeit. Die Menschen sind auf der Wanderschaft zwischen glühend heißen und eisig kalten Zonen, auf der Suche nach Orten, an denen man leben kann.
Weil es so schnell ging, wurden Familien auseinandergerissen. Irgendwo auf der Welt geht Armanda los, um ihre Tochter Nora zu finden, die irgendwo im Norden (Grönland? Norwegen?) daran forscht, der Menschheit das Überleben zu sichern. Armanda trägt alles in ihrem Rucksack mit, was ihr geblieben ist. Bemerkenswert wie viel in so einen Rucksack passt, denn es scheint alles vorhanden zu sein, was sie braucht um zu überleben, sich anzukleiden, Dinge zu tauschen, sich einen Unterstand zu bauen. Den Rest organisiert sie unterwegs.
Bemerkenswert auch, dass in diesem Chaos, nachdem alles zusammengebrochen ist, die Mobiltelefone noch funktionieren – jetzt werden vielleicht einige meinen, dass es dann ja nicht so schlimm sein kann, Hauptsache Handy :-). Das Telefon ist Armandas einzige, wenn auch nicht immer funktionierende, Verbindung zu Nora.
Man wird sich erinnern, dass alles begann, weil irgendwelche Konsortien nach Rohstoffen suchten. Solche Konsortien haben die Katastrophe überstanden und scheinen die einzigen verbliebenen Institutionen zu sein, die es noch gibt. Zurecht kann man sich fragen, ob das nicht einfach eine Fortschreibung dessen ist, was wir gerade selbst erleben? Wer hat mehr zu sagen: die Menschen, die gewählten Regierungen oder globale Player?
Ein Schelm, wer jetzt an russische Oligarchen, amerikanische Milliardäre oder krakenhafte Konzerne wie Nestlé denkt.
Und wieder werden gigantomanische Projekte geplant, irgendjemand wird das schon finanzieren, irgendjemand wird schon übrig sein, um Geld dafür auszugeben.
Wenn man mit Armanda auf dem Weg ist, um ihre Tochter zu finden, dann erfährt man, was im Kern nötig ist, um zu überleben. Wie es sein könnte, sich in einer Welt ohne die gewohnten Strukturen zu behaupten, immer selbst herausfinden zu müssen, wem man vertrauen kann, an welchem Orten man sicher sein wird und wo Gefahr lauert.
„Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang“ ist eine Geschichte über eine postapokalyptische Welt, in der nicht alles verloren gegangen ist, aber noch lange nicht feststeht, was am Ende übrig bleiben wird. Wer sich anpassen kann, wird auch in dieser neuen Umwelt einen Platz finden. Jedoch, das sickert langsam, aber doch ganz sicher in die Geschichte ein, könnte die Natur Wege finden, das Experiment mit den Menschen zu beenden und anderen eine Chance zu geben.
Weniger von dem, was wir jetzt haben, ist nicht das Schlechteste. So ein Leben, wie es Armanda gelernt hat zu führen, eines, in dem man sich auf seine eigenen Sinne und seinen eigenen Körper verlassen muss, könnte gar nicht so übel zu sein. Jedenfalls, wenn man bereit ist, auf das meiste von dem zu verzichten, was unseren gegenwärtigen Alltag ausmacht.
Ein kurzer Roman über eine Zukunft, die vielleicht besser ist, als das, was wir heute haben. Auch wenn dafür erst das, was wir heute haben, zum großen Teil verschwinden muss.