Thomas Korsgaard: Stadt
Die Tue-Trilogie (2)
Autorin/Autor: Korsgaard, Thomas
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Britta
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Tue ist bereits 17 Jahre alt und besucht die zwölfte Klasse. Es ist sein letztes Schuljahr und somit sein schwerstes. Er weiß noch nicht, wie sein Leben danach weitergehen soll.
„Eigentlich hätte ich mich vorbereiten müssen, die Zwölfte würde das schwerste Schuljahr werden. Oder ich könnte wenigstens versuchen, herauszufinden, wer ich nach den Ferien sein wollte. Ich könnte mich in den kommenden Wochen ändern und zu dem werden, mit dem sich alle unterhalten wollten. Aber ich hatte keine Vorstellung davon, wer ich gerne sein wollte. Stattdessen füllte ich die kleinen Kästchen mit Zahlen aus, es tat gut, einfache Dinge in Ordnung zu bringen.“
Nach wie vor lebt er mit seiner Familie und den Geschwistern auf dem Hof in Nørre Ørum. Die Familie konnte sich aus der völligen Armut etwas befreien, da seine Mutter nach einem Unfall arbeitsunfähig ist und von der Versicherung eine größere Summe als Abfindung erhalten hat. Zusätzlich arbeitet sein Vater im Sommer als Landschaftsgärtner und im Winter als Schlachter. Bis auf die Hunde wurden alle anderen Tiere verkauft.
Tues Leben ist schwer. Seine Mutter, die psychisch sehr labil und die meiste Zeit mit sich selbst beschäftigt ist, benutzt ihn als emotionalen Mülleimer. Die Bindung zwischen den beiden ist sehr eng und Tue liebt seine Mutter sehr. Sie kümmert sich aber kaum um ihre Kinder oder den Haushalt, sondern vergräbt sich in ihre eigene Welt, leidet immer wieder an schweren Depressionen und schafft es nur selten sich aufzuraffen, um ihren Pflichten nachzukommen. Sie hat einen neuen Mann kennengelernt, den sie regelmäßig heimlich trifft und denkt an Scheidung.
Tues Vater ist der Patriarch des Hauses und als solcher sehr launisch und aggressiv. Das Familienleben ist geprägt von psychischer und physischer häuslicher Gewalt. Das Eheleben von Mutter und Vater kann man als toxisch bezeichnen. Die Kinder wachsen verwahrlost und ohne geregelten Tagesablauf auf. Alkohol-, Drogen- und Nikotinmißbrauch gehören zu ihrem Lebensalltag.
Besonders die Beziehung zu seinem Vater empfindet Tue als sehr angespannt.
„Er würde auch sagen, dass ich ein Sonderling bin, das sonderbarste seiner Kinder, und er nicht weiß, was er mit mir anfangen soll.“
In 38 Kapiteln erzählt der Autor in tagebuchartigem Stil das Leben von Tue. Der Stoff ist diesmal deutlich bedrückender als im ersten Band.
Mein Fazit:
Trotz der schwierigen Thematik und dem alles andere als glücklichen Leben von Tue hat mich auch Band 2 echt gefesselt. Die Heiterkeit und die kindliche Zuversicht sind dem realen Leben mit all seinen unschönen Seiten gewichen.
Tue ist mir beim Lesen immer mehr ans Herz gewachsen, obwohl er einen rebellischen, aufmüpfigen Charakter besitzt und ein Leben ohne Halt und Regeln führt.
Die Art des Autors, die Geschichte von Tue zu erzählen, seine klare, knappe Sprache und sein aussagekräftiger Schreibstil waren mir einfach sympathisch. Der Roman schildert authentisch und ungeschönt das soziale Zusammenleben innerhalb der Familie und der Gesellschaft unserer Zeit.
Der Buchtitel „Stadt“ hat mich lange Zeit irritiert, weil ich beim Lesen immer darauf wartete, dass Tue in die Stadt zieht. Erst am Ende des Buches erschließt sich der Grund für die Auswahl des Titels.
Zusammengefasst fand ich auch Band 2 sehr gelungen. Als Wohlfühlroman kann man dieses Buch nicht bezeichnen, dafür ist der Inhalt zu bedrückend und Tues Weg zu steinig. Trotzdem gebe ich die volle Punktzahl, weil es mich einfach sehr berührt hat.
Band 3 ist in Vorbereitung und ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
Reihenfolge der Tue-Trilogie:
„Hof“ Band 1 erschien am 4.9.2024
„Stadt“ Band 2 erschien am 23. Jänner 2025
„Paradies“ Band 3 erscheint im Herbst 2025