Assaf Gavron: Everybody be cool

Autorin/Autor: Gavron, Assaf
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Zwei Erzählungen über eine Welt der nahen Zukunft.
„Everybody be cool“ nimmt zwei überaus präsente Themen der Gegenwart auf und verbindet sie zu einer Kurzgeschichte. Menschen, die im Logout ihre sozialen Kontakte verlieren und beginnen, den Kontakt mit anderen zu meiden. Deren Leben sich dann mehr und mehr in den Cyberspace verlagert, wo virtuelle Gesprächspartner und virtuelle Ereignisse das Leben anscheinend so viel überschaubarer, planbarer und einfacher machen. Wo es aber – und das ist keine Utopie, wie wir wissen – noch mehr Fallstricke geben kann als in der realen Welt.
Eine Utopie über die im Jahr 2066 in eine liest man in der Novelle „Der Zement„. Die allgemeine politische Lage in dieser Zukunft gibt Anlass zu Optimismus: Die Länder des Nahen Ostens sind vereint, so etwas wie Kriege gehören der Vergangenheit an.
Vieles ist anders in dieser Zukunft, aber manches ist unverändert. Die Sucht nach Macht und Einfluss, von der heute viele angetrieben sind, lässt auch im Jahr 2066 viele die moralischen und gesetzlichen Grenzen überschreiten, bis hin zum Mord. Nacheinander paar Seiten erkennt man, dass man einen spannenden Zukunfts-Krimi liest, in dem es um nichts weniger als um die Kontrolle eines der einflussreichsten Konzerne auf der Welt geht.
Der Firmengründer erkrankt schwer. Sein Sohn Ami kommt bald dahinter, dass sein Vater vergiftet wurde und erkennt auch, wer dafür verantwortlich ist. Bei seinem Versuch, die Schuldigen zu entlarven gerät er zunächst selbst in Gefahr, verliert den Kontakt zu seiner Familie und kann sich nur mehr auf wenige Freunde verlassen. Ami behält bei allen Rückschlägen das Vermächtnis seines Vaters immer vor Augen: Das Wohl vieler geht vor das Wohl weniger.
Zukunftsvisionen
Diese beiden Storys in das Genre der Science Fiction einzuordnen, mag rein zeitlich betrachtet stimmen. In Wahrheit aber sind es einfach auf den Punkt gebrachte Storys über das, wohin unsere gesamte Zivilisation seit einigen Jahren wie ferngesteuert (wohl auch im eigentlichen Sinn) treibt; es ist eine logische und gar nicht abwegige Fortschreibung dieser Entwicklung, ergänzt mit ein paar utopischen Visionen (wie eben dem Grundeinkommen für alle)
Als, je nach persönlichem Standpunkt, positive oder negativ zu bewertende Errungenschaft gibt es in beiden Geschichten eine „Grundsicherung“ für alle. Niemand muss arbeiten, man wird versorgt und kann davon gut leben, wenn die Ansprüche nicht übertrieben sind. (Wie das finanziert wird, ist nur grob beschrieben), nehmen wir einfach einmal an, dass es gelungen ist, einen Teil der explodierenden Unternehmensgewinne auf alle Menschen zu verteilen
Es gibt jedoch wie immer zwei Seiten in einem solchen System. Die eine ist, sich keine Sorgen machen zu müssen, was die Chance eröffnet, dass die Menschen friedlicher und entspannter werden. Die andere Seite ist, dass sich keine Sorgen machen zu müssen, die Menschen vor lauter Langeweile auf absurde Ideen bringen kann.
Assaf Gavron gelingt es auf den knapp 190 Seiten des Buches gleich mehrere „Baustellen“ unserer Gesellschaft in den 2020er-Jahren zu verarbeiten. Die zunehmende Kommunikations-Unfähigkeit, die über Hand nehmende Dominanz der digitalen Welt, die nie zu stillende Gier derjenigen, die schon mehr haben, als sie je brauchen werden, die unumkehrbare Manipulation des Klimas. Nebenbei erschafft er mit einem gemeinsamen Staat vieler Nationen im Nahen Osten auch noch eine Vision des Friedens in einer der heute gewalttätigsten Regionen unserer Welt.
Das alles ist in zwei rasanten und spannenden Storys verpackt, die beide, wenn auch mit manchen Einschränkungen, einen durchaus optimistischen Blick nach vorne erlauben.
Auch wenn alles nur Utopie ist, man sollte dieses Buch unbedingt lesen!