Benjamin Stevenson: Jeder im Zug ist verdächtig
Die mörderischen Cunninghams (2)

Autorin/Autor: Stevenson, Benjamin
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Ein Literatur-Festival in einem Zug? Nicht schlecht, wenn man dazu eingeladen wird, denn bei dem Zug handelt es sich um den legendären Ghan, der Australien komplett von Norden nach Süden durchquert
Ernest Cunnigham, er weiß gar nicht, wie er zu der Ehre kam, eingeladen zu werden, ist unter den geladenen Autorinnen und Autoren. (Wir werden im Lauf des Geschehens erfahren, wie es dazu kam).
Ernest ist eines von fünf Mitgliedern der Schreiberling-Zunft, die sich Diskussionen miteinander und mit dem Publikum stellen sollen. Dabei ringt er selbst um die Inspiration für sein nächstes Buch (für das er schon einen sehr großzügigen Vorschuss von 100.000 bekommen hat, kreative Ideen wäre also durchaus angebracht).
Ernests erstes Buch war so etwas wie ein Krimi-Sachbuch, in dem er seine eigenen Erfahrungen in einem eingeschneiten Schiresort, in dem es gar nicht so wenige Morde gab, niederschrieb.
Jetzt sitzt er im Zug und hofft auf eine Eingebung. Die stellt sich ein, aber musste es ausgerechnet auf dieses Weise passieren? Als würde ihm das Schicksal helfen wollen, geschieht der erste Mord. Verdächtige gibt es genug, denn die bald nach der Abfahrt des Zuges offensichtliche werdenden Eifersüchteleien, Ressentiments, die sogleich in Beleidigungen und Streitereien unter den Geladenen münden, lässt die Liste der möglichen Mörder recht umfangreich werden.
Natürlich ist auch Ernest selbst ein Verdächtigter, aber würde er das über sich in seinem eigenen Buch schreiben? Sicher ist nur, er schreibt ja alles selbst, dass Ernest die Zugfahrt überleben wird; wahrscheinlich …
Resumee
Ist es vorauseilende Selbstkritik, prophetisch oder doch nur ein Zufall, der sich in der Story findet:
Wenn man über einen der Autoren im Zug erfährt, dass dessen zweiter Roman ein Flop war, er aber mit den vielen weiteren Büchern, die er schrieb, zum Star wurde, dann trifft das in gewisser, wenn auch stark abgemilderter Weise auch diesen zweiten Band der Cunningham-Reihe zu. Der ist zwar ganz sicher kein Flop, aber es fehlt mir viel von der Dynamik und dem stets mitschwingenden Humor, wie sie im ersten Band zu einem sehr unterhaltsamen Roman wunderbar zusammenfanden.
Der erste war, wie ich finde, großartig, doch nun im zweiten habe ich den Eindruck, dass der Autor als Ich-Erzähler über seine eigene Schreibblockade schreibt. Denn es beginnt alles etwas langatmig, immer wieder zieht sich die Story auf allgemeine Erklärungen und etwas zu sehr klischeehafte Charakterisierungen der Protagonisten zurück, die auch in weitere Folge so etwas wie die Ankerpunkte der Handlung bleiben.
Wenn dann im letzten Teil des Buches Ernest in der Art von Hercule Poirot vor den versammelten Beteiligten und Verdächtigen den Fall klärt, kommt Schwung in die Handlung – Schwung, den ich mir schon früher gewünscht hätte
Alles in allem bin ich etwas enttäuscht, nach Band 1 hätte ich mir mehr Unterhaltung und Spannung erhofft. Was aber nichts daran ändert, dass ich einen dritten Band, sollte er erscheinen, natürlich lesen werde. Denn – so steht es ja auch schon in diesem Buch – der wird großartig!
PS: DIE Cunnighams spielen, außer im Untertitel, keine Rolle mehr. Es ist nur mehr DER Cunnigham.