Günter Neuwirth: Wettlauf in Triest
Inspector Bruno Zabini (5)

Autorin/Autor: Neuwirth, Günter
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Im fünften Roman mit Inspector Bruno Zabaini verlegt Günther Neuwirth den Fokus ein wenig weg von dem Mordfall, den es natürlich in einem Krimi geben muss.
Dafür liest man in „Wettlauf in Triest“ vieles über die Stellung der Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der konservativen und allzu christlich geprägten Donaumonarchie.
Wenn es um Frauen geht, dann dreht es sich wie immer auch Bruno Zabini, von dem man – so man die bisherigen vier Romane gelesen hat – weiß, dass er sich leicht verliebt.
Seine frühere Geliebte Fedora Cherini und seine nunmehrige Lebensgefährtin, die Baronin von Callenhof, sind in wichtigen Nebenrollen in der Handlung vertreten. Die beiden Frauen sind zwischenzeitlich sogar miteinander befreundet, eine nicht unwesentliche Erleichterung in Brunos Leben. Mit der einen baut er sich eine gemeinsame Zukunft auf, die andere hat sich ihr Leben mit ihrem neuen Partner entsprechend ihren Vorstellungen eingerichtet. Beide behaupten sich in einer Gesellschaft, in der Männer glauben (und oft auch das Recht haben), über Frauen zu bestimmen.
Doch jetzt zum Kriminalfall: eine junge Frau wird in der Nähe des Ippodroms von Triest gefunden, übersät von unzähligen Verletzungen, ihr Mörder muss die Tat in wilder Raserei begangen haben. Brunos erster Verdacht bestätigt sich nach einige Recherchen. Die junge Frau arbeitete in einem der zahlreichen Bordelle in Triest.
Parallel zu den Ermittlungen folgt die Handlung gleich mehreren Ereignissen. Es scheint eine undichte Stelle in der k.k. Polizeidirektion zu geben, jemand intrigiert gegen Bruno und gegen die Menschen in seinem Umfeld. Der Geheimdienst geht einem Verdacht nach, wonach ein Beamter direkt am Menschenhandel beteiligt ist und junge Frauen nach Triest schleust, die dann in den Bordellen zur Prostitution gezwungen werden. Auf der Pferderennbahn sind die Buchmacher immer auf der Jagd nach Insiderinformationen, um bei den Wetten immer die Nase vorne zu haben. Bruno versucht, einer Freundin und Schicksalsgenossin der Ermordeten auf dem Weg in eine bessere Zukunft zu helfen.
(Der Roman hat also recht viele Darsteller, weshalb ich das Personenverzeichnis zu Beginn besonders schätze)
Bruno Zabini und sein Assistent Luigi Bosovich versuchen, auch mithilfe der neuesten technischen Errungenschaften der Technik, den Mord an der jungen Frau aufzuklären – Vorläufer von CSI, gewissermaßen. In der Zeit lange vor DNS-Bestimmung und Handyortung konnte die Polizei schon auf einige Hilfsmittel zurückgreifen, die noch wenige Jahre zuvor nicht zur Verfügung standen. Tatortaufnahmen sind zur Routine geworden, aber jetzt hat Bruno bei seinen Vorgesetzten auch noch erreichen können, dass das neueste Zeiss-Mikroskop angeschafft wird. Genau dieses erweist sich bei der Spurensuche auch gleich als überaus nützlich, auch wenn ein Kollege von Bruno meint, dass es sich dabei um eine überflüssige Spielerei handelt.
Bevor man beim Lesen wirklich weiß, wie viele Verbindungen in losen Fäden es gibt, wird man zunächst in die Irre geführt und bei manchen der Beteiligten bleibt unklar, ob es sich dabei um einen Guten oder einen Bösen handelt. Wer spielt mit offenen Karten und wer erweckt zum eigenen Nutzen einen falschen Anschein?
Der fünfte Roman mit Inspector Bruno Zabini ist nicht nur ein Krimi, sondern auch ein Roman über gesellschaftliche Konventionen, über die Ausbeutung von hilflosen Menschen, über Korruption, über Ungleichheit und den Ausblick auf eine neue Zeit.
Vieles hat sich seither geändert, aber manches, das Günter Neuwirth beschreibt, hat bis heute überdauert.
Zusammengefasst ein Roman, der ein glaubhaftes Bild vom Leben im Vorfeld des Jahres 1914 vermittelt. Wenn man bedenkt, dass diese Welt, die gegenständlichen Ereignisse sind im Jahr 1908 angesiedelt, nicht mehr lange existieren wird, dann liegt über allem auch ein Hauch von Wehmut …
Weitreichende Intrigen in Triest
Während ganz Triest dem großen Derby im Ippodromo di Montebello entgegenfiebert, bekommt es Inspector Bruno Zabini mit einer übel zugerichteten weiblichen Leiche zu tun, die in der Nähe der Pferderennbahn gefunden wird. Die Veranstalter fürchten um die Reputation der Rennbahn. Dabei ist es nicht die Tote die für zusätzliche Aufregung sorgt, sondern die Buchmacher und ihre Wetten. Die Ermittlungen gestalten sich als zäh, denn die Tote ist zunächst unbekannt, wird aber dann als Prostituierte identifiziert. Während so mancher auf der Polizeidienststelle schulterzuckend sich anderen Geschäften zuwendet, ermittelt Zabini wie gewohnt sorgfältig. Die Profession der Toten ist seiner Meinung völlig unerheblich. Er will den oder die Täter fassen.
Recht bald kann Zabini einen Verdächtigen festnehmen, den er aber bald wieder frei lassen muss, weil während seiner Haft eine weitere Frau nach derselben Methode ermordet worden ist. Im kaiserlichen Kotter zu sitzen ist wohl das beste Alibi.
Zahlreiche Spuren, denen Bruno Zabini mit seinem Tatortkoffer nachgeht, deuten auf das Umfeld der Trabrennbahn hin. Nun muss sich Zabini mit Fabrizio Renzullo, einem ziemlich erfolglosen, aber verliebten Buchmacher, dem mürrischen Magazineur Gino Foda und seinem Hund sowie skrupellosen Zuhältern und Menschenhändlern herumschlagen.
Renzullo hat sich in eine der zahlreichen Prostituierten verliebt. Sie hat sich bei einem Freier mit Syphilis angesteckt und ist von ihrem Zuhälter auf die Straße gesetzt worden. Sie wird Zabini einige Hinweise geben, wie sie und einige andere Mädchen unter Vorspiegelung falscher Versprechen aus ihren Heimatdörfern nach Triest gelockt worden sind.
Bei den Ermittlungen wird auffällig oft eine Personenbeschreibung geliefert, die an einen von Brunos Kollegen denken lässt. Kann es sein, dass ein Polizist Strippenzieher dieser Machenschaften ist? Als sich die Indizien verdichten, fordert Polizeidirektor Dr. Rathkolb, einige Akten anfordert, um sie durchzuackern. Das Ausheben der Akten wird wiederum vom Geheimdienst seiner Majestät bemerkt, der nicht untätig ist. Schon längst hat er Augen und Ohren auf die Irredentisten gerichtet, die schon die staatlichen Institutionen unterwandert haben.
Damit beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, denn all diese Aktionen sind nicht unbemerkt geblieben und der Verdächtige bereitet seinen Abgang vor.
Meine Meinung:
Günter Neuwirth ist wieder eine tolle Fortsetzung der Reihe rund um Bruno Zabini gelungen. Diesmal lesen wir nichts über Dampfschiffe oder Eisenbahnen, sondern dürfen Zabini in seinem Labor, das er in der Dienststelle eingerichtet hat, über die Schulter schauen.
Während wir Leser den verliebten Buchmacher begleiten und das schwarze Schaf in der Polizei ausmachen, benützt Bruno Zabini, die ihm zur Verfügung technische Ausrüstung. So arbeiten Bruno und seine Mannschaft nach dem von Professor Dr. Hans Gross (1847-1915) 1893 herausgegebenen „Handbuch für Untersuchungsrichter als System der Kriminalistik.“. Es wird also das Mikroskop zur Spurenanalyse herangezogen und die Fasern jener Pferdedecke, in der eine der toten Frauen eingewickelt war, führen die Ermittler wieder ins Ippodromo.
Langsam aber sicher ist der Fortschritt in die Triestiner Polizeidirektion eingezogen: Bis auf Inspector Emilio Pittoni, der alles, was Zabini für gut hält, ablehnt, schreibt man nun mit Schreibmaschinen statt mit der Hand. Demnächst sollen sogar Telefone und Fernschreiber angeschafft werden.
Daneben erhalten wir wieder Einblick in Brunos Privatleben, das sich einigermaßen stabilisiert hat. Er kann es allerdings nicht lassen, in Bedrängnis geratenen Frauen wie die Renzullos Angebeteter oder Fedora Cherini, die befürchten muss, dass man ihr die Kinder wegnimmt, weil sie ohne ihren Ehemann lebt, tatkräftig zu helfen.
Fazit:
Eine gelungen Fortsetzung dieser historischen Krimi-Reihe, die uns wieder nach Triest, als es noch österreichisch war, führt. Gerne gebe ich wieder 5 Sterne.