Buchbesprechung/Rezension:

Martin Horváth: Baroco

Baroco
verfasst am 17.03.2025 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Horváth, Martin
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Online bestellen:   zum Thalia online-Shop
Schon selbst gelesen? Gib hier Deine Bewertung zum Buch ab!
[Gesamt: 0 Durchschnitt: 0]

Dass die Menschheit mit Elan daran arbeitet, sich selbst zu eliminieren, lässt sich nicht übersehen. Neu ist aber, dass es Wesen noch unbekannter Herkunft gibt, die diesem Treiben nicht länger zusehen wollen.

Ihr Motto: entweder ein umgehendes Ende des Schreckens (und des Homo sapiens als solchem) oder ein letzter Versuch der Rettung.

Von dem sehr abseits gelegenen alten Kloster in einem Ort namens San Lorenzo in Süditalien aus wird in Prozesse auf dem Planeten eingegriffen. Dort, wo illegales an der Öffentlichkeit vorbeilaufen soll, wo sich ein paar wenige auf Kosten sehr vieler noch reicher machen wollen. Also Vorgänge, wie sie beispielsweise aus den Panama-Papers oder vom gigantischen Cum-Ex-Steuerbetrug kennen.

Was wir reale Menschen mutmaßen, wissen die Spezialisten im Kloster ganz genau: die meisten Gaunereien bleiben unentdeckt, weshalb es im Kloster immer ausreichend zu tun gibt. Ist man vielleicht inmitten einer Gruppe wie Anonymus gelandet? Also nicht die originalen, sondern die, die so verborgen arbeiten, dass sie niemand außerhalb der Klostermauern kennt. Sehr wohl aber kennt man ihre erfolgreichen Eingriffe in den Lauf der Welt, wenn wieder ein Bösewicht enttarnt und entlarvt wird. Ein neues Internetphänomen ist vom Kloster aus drauf und dran, sich über die Bösen und die Gierhälse der Welt herzumachen; sein Name ist „Stincky Joe“.

Was aber hat es mit der Ankündigung auf sich, die ganze Menschheit auszurotten? Die nämlich steht schwarz auf weiß am Beginn des Romanes und klingt so unglaublich bestimmt.

Ein Kloster ist das alte Gemäuer in San Lorenzo längst nur mehr seiner Geschichte und dem daraus zurückgelassenen Namen nach, seiner gegenwärtigen Bestimmung nach ist es, inklusive des ganzen Orts rundherum, im Besitz einer Stiftung und alles zusammen dient einem bestimmten Zweck. Wer genau diese Wesen sind, die das alles in Leben gerufen haben, und was dieser Zweck ist, wird man sich fragen, doch eine Antwort darauf gibt es nicht. Jedenfalls sehr lange nicht. Bekannt ist nur, dass aus der Perspektive des Ich-Erzählers jemand mit dem Namen Norman Sherwood (falls das überhaupt sein wahrer Name ist und nicht eine Reminiszenz an Robin Hood) alles beschreibt, aber nichts enthüllt.

Was sich möglicherweise ändern könnte, als mit Jakob Metzger einem Außenstehenden der Zutritt gewährt wird. Nicht überall hin, denn so einig sind sich die Wesen im Kloster nicht, aber doch so weit, dass Jakob Einblicke erhält.

Martin Horváth ist kein Vielschreiber. „Baroco“ ist sein erst dritter Roman, der 12 Jahre nach seinem ersten erscheint. Diese Zeit, die zwischen den Veröffentlichungen liegt, scheint Martin Horváth unter anderem dafür verwendet zu haben, um an jedem einzelnen Satz so lange zu feilen, bis er seinen Ansprüchen genügte.

Das Ergebnis, der Roman, ist deshalb auch eine Sammlung von gleichsam gewundener wie glasklarer Sprache, mit der der Autor manchmal Wörter dem Sinn nach neu ausrichtet, Sätze ihrer gewohnten Satzstellung beraubt und in der man dennoch kaum etwas findet, das man passender formulieren könnte.

Weil das in Summe eine Erzählung ergibt, deren Anziehung man sich nur schwer entziehen kann.

Manchmal gibt es aber auch Abschnitte, bei denen ich mir wünschte, es würde sich etwas Merkbares entwickeln. Meistens aber, wenn sich schon die Story insgesamt nicht fortbewegt, finden sich kleine Nebengeschichten, die man mit Vergnügen und /oder Interesse lesen kann. Ob aber alles, was zu lesen ist, wirklich notwendig ist, oder ob doch manches einem kontinuierlichen Lesefluss im Weg steht, das ist letztendlich eine Frage des persönlichen Geschmacks. Für mich gibt es doch einige Abschnitte, auf die ich hätte berichten können, weil sie zu sehr abschweifen.

„Baroco“ ist kein Roman für Schnell-Leser, nein wirklich nicht. Dazu fordert Martin Horvaths Schreibstil zu viel an Aufmerksamkeit ein, dazu muss man viel zu sehr befürchten, in irgendeinem abseits gelegenen Teil eines Satzes etwas zu übersehen.

Mit der immer mehr um sich greifenden egozentrischen Gier einiger sowieso schon enorm Reicher, mit der ungleich Verteilung aller Ressourcen (Arm & Reich, Nord & Süd, Ost & West, …), mit der fortschreitenden Transformation unseres analogen Lebens in digitale Sphären und der Manipulation von Realitäten durch künstliche Intelligenz landet „Baroco“ inmitten einiger der dominierenden Themen der Gegenwart.

Vielleicht braucht es ja wirkliche einen neuzeitlichen Robin Hood, um die Dinge wieder ins Lot zu rücken? Und gäbe es ihn, würde er sich möglicherweise genau solcher Mittel bedienen, mit denen im Kloster hantiert wird.




Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Top