Jan Kossdorff: Der glückliche See

Autorin/Autor: Kossdorff, Jan
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Eine Familiengeschichte aus der Zeit, als wir nach Corona alle wieder begannen, mit anderen Menschen zusammenzukommen. Es ist der Jänner des Jahres 2022, es beginnt mit dem ersten Treffen mit Eltern und Geschwistern.
Die Begegnungen mit anderen sind zu Anfang etwas unbeholfen – wie war das damals mit dem Begrüßen, man hatte es fast vergessen – und zugleich doch so vertraut wie früher, als hätte es diese zwei Jahre Pause nicht gegeben.
Die Eltern, Max und Monika, sind zwar seit vielen Jahren geschieden, sie haben sich auf einer Art von freundschaftlicher Basis miteinander arrangiert. Mit ihren vier Kindern Leander, Jola, Valentin und Aino – der älteste Leander ist in seinen Fünfzigern, Aino, die jüngste ist Mitte dreißig – versammeln sie sich im Haus, das direkt am Traunsee liegt und in dem seit der Trennung nur Max wohnt. Ein paar gemeinsame Stunden, Aino ist aus New York gekommen, die ihren neuen Lebensgefährten Alexander vorstellt.
Die Geschwister haben sich für jeweils ganz unterschiedliche Lebenswege entschieden, aber sie sind immer Schwestern und Brüder geblieben, egal, wie weit sie voneinander entfernt leben.
Es gibt neues zu erzählen, man gewöhnt sich wieder an die Nähe, beim Lesen habe ich den Eindruck, zu Gast bei einer weitgehend harmonischen Familie zu sein (weitgehend, weil es natürlich immer Außenseiter gibt, die sich aber hier recht dezent zurückhalten)
Wobei „Zu Gast sein“ so etwas wie eine alles zusammenfassende Überschrift zu diesem Buch ist. Denn tatsächlich nimmt Jan Kossdorf seine Leserschaft mit in den Alltag der Familie. Wir wissen, dass so ein Alltag im Allgemeinen nicht voller Abenteuer und Spannung ist, aber eben die Hülle für unser aller Leben.
Während ich nun über das lese, was alle erleben, ihre Wünsche und Sorgen, ihre Erinnerungen und wechselhafte Beziehungen, dann denke ich mir manchmal, es würde so eine Art von Daily Soap lesen, nur eben ohne das ganze Geschrei wie in den Billigserien auf manchen Privatsendern, sondern eine über wirkliche Menschen. Keine Dauerabfolge von Gags, keine Dauerdramatik, einfach Tage voller Normalität, wie wir alle sie genauso erleben könnten, durchsetzt natürlich mit Tagen, an denen das Leben eine etwas andere, einmal eine bessere, einmal eine schlechtere Wendung nimmt.
Höhen und Tiefen
Max und Monika, beide um die siebzig Jahre alt, kommen mit dem Alleinsein nicht gut zurecht und suchen beständig nach Partnern, die zumindest eine Zeit lang ihre Leben teilen können. Leander hat seinen Geschwistern bei der Familienfeier eröffnet, dass er Krebs hat; als er mit der Behandlung beginnt, umsorgt ihn seine Familie, alle sind für ihn da. Valentin bemüht sich derweil, sein Puppentheater offenzuhalten, hier kann er seine Vorstellungen und seine Kreativität umsetzen, auch wenn es an allen Ecken an Geld fehlt. Jola und ihr Ehemann Sven haben sich unendlich weit voneinander entfernt, Sven ist in der Coronazeit in die Szene der Schwurbler abgedriftet und Jola stürzt sich in eine Affäre. Aino ringt mit sich, ob sie von New York wieder nach Österreich, zurück in die Heimat übersiedeln soll.
Im Hintergrund die Nachwehen der Corona-Pandemie und der von Putin befohlene Überfall auf die Ukraine und Ainos Eindrücke von den USA, einem Staat, dessen Gesellschaft dabei ist zu scheitern.
Weil das alles so wirklichkeitsnah geschrieben und so zeitnah angesiedelt ist, lässt sich durchaus manches erkennen, das man ähnlich selbst erfahren oder das man selbst gesehen hat.
Jan Kossdorf beschreibt das alles behutsam, wie aus einer Position des fast unsichtbaren Beobachters, der nicht stören will, damit er die kommenden Ereignisse nur ja nicht beeinflusst.
Langeweile kommt nie auf: ist es weil oder obwohl es so alltäglich erscheinende Begebenheiten nachzulesen sind? Egal warum, „Der Glückliche See“ ist ein überaus empfehlenswertes Lesebuch über Menschen wie wir es sind.