Buchbesprechung/Rezension:

Laurent Binet: Perspektiven

Perspektiven
verfasst am 08.04.2025 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Binet, Laurent
Genre:
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Die Lebensdaten des italienischen Renaissancemalers Jacopo da Pontormo sind nicht genau bekannt. Sicher ist nur, dass er am 2, Jänner 1557 in Florenz begraben wurde.

Rund um den Tod dieses zu seinen Lebzeiten berühmten, später aber in Vergessenheit geraten Meisters spinnt Laurent Binet seine Erzählung über Mord, Intrige und Liebe zur Zeit der Medici.

Italien in der Mitte des 16. Jahrhunderts war vieles zugleich: ein europäisches Zentrum der Kunst, ein Flickenteppich von Herrschaftsbereichen, der erweiterte Einflussbereich des Papstes und schlussendlich den begehrlichen Blicken der großen europäischen Möchte ausgesetzt.

Im Florenz der Renaissance regierten die Medici, eine mächtige Familie, die in der historischen Überlieferung meist mit Intrigen und Machtansprüchen gleichgesetzt wird. Im Jahr 1557 ist Herzog Cosimo I. de’ Medici an der Macht, der an Pontormo den Auftrag erteilte, das Fresko in der Basilika San Lorenzo herzustellen. Ein Projekt, das Michelangelos Fresko in der Sixtinischen Kapelle in Rom um nichts nachstehen sollte, wird von Pontormo jedoch niemals vollendet. Denn er wird tot, ermordet, am Ort seines Werkes gefunden.

In einer Zeit, in der man noch keine Mordermittlungen in unserem Sinn durchführte, beauftragt der Herzog den Maler und Architekten Giogo Vasari, das Verbrechen aufzuklären. Im Sinne der Familie Medici ist höchste Eile geboten, denn als man die Wohnung des Ermordeten durchsucht, findet man dort eine Kopie eines Bildes von Michelangelo, auf dem der Maler – war es Pontormo, oder jemand anderes? – den Kopf der ältesten Tochter des Herzogs gemalt hatte. Ihr Kopf auf dem Körper einer nackten Frau in überaus anzüglicher Pose – heutzutage würde man das „Deep Fake“ nennen.

Es gilt nun, die Existenz dieses Bildes geheim zu halten, denn sein Bekanntwerden würde die Heiratspläne, die der Herzog für seine Tochter des Herzogs macht und wohl einen überwältigenden Skandal auslösen. Doch es gibt verschiedene Interessen, ein Dieb wird beauftragt, das Bild aus dem Besitz des Herzogs zu entwenden. Das alles geschieht vor dem Hintergrund der Pläne Frankreichs, sich einen Teil der Apenninhalbinsel einzuverleiben.

Laurent Binet erzählt das alles nicht in der klassischen Form eines Romanes, sondern lässt die Protagonisten selbst zu Wort kommen – Sie schreiben. Es herrscht ein reger Briefverkehr, mit dem die Informationen und neuesten Entwicklungen verbreitet werden. Mangels anderer Kommunikationsmittel, sind diese Briefe so etwas wie die Nachrichten, die so immer weiter und weiter gegeben werden.

Damit gelingt es Binet gleich mehrere Elemente einzubringen: Die verwinkelte Sprache der Zeit zu verwenden und damit seine Leserschaft ein klein wenig in die Gedankenwelt der Renaissancemenschen zu versetzen. Und die Vorsicht bei den gewählten Worten zu zeigen, denn wer konnte schon sicher sein, dass niemand Unbefugter den Brief unterwegs las.

Weil sich mit jedem Brief die Perspektive ändert, nicht nur, weil jemand anders schreibt, sondern auch, weil sich der Inhalt des nächsten Briefes schon um ein ganz anderes Thema drehen kann, als der des vorherige, ist das Personenverzeichnis zu Beginn besonders wichtig. Darauf greife ich immer wieder zurück, ohne dieses Verzeichnis hätte ich wohl bald den Überblick verloren.

Dazu trägt auch der Inhalt der Briefe selbst bei. Denn Laurent Binet lässt seine Briefschreiberinnen und Briefschreiber immer wieder ausgiebig schwadronieren, sie über manches berichten, das in der Vergangenheit liegt oder etwas, das abseits der eigentlichen Handlungsstranges geschieht, ergänzt um manches, das man erst ganz einordnen kann, wenn man parallel zum Lesen Daten und Fakten recherchiert.

Konzentration und Geduld sind jedenfalls gefragt, will man diesen Briefroman mit allen seinen Details, Abschweifungen und Ausschmückungen bis zum Ende lesen. Insgesamt empfinde ich viel Passagen etwas zu sehr ausgebreitet, weniger wäre oftmals mehr gewesen.

Trotz einiger Längen aber ein überaus interessantes Buchprojekt, das sich wegen seiner Form und Sprache aus der Reihe der Neuerscheinungen des Frühjahrs 2025 abhebt.




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