Buchbesprechung/Rezension:

Sam Lloyd: Sie sieht, was du tust

Sie sieht, was du tust
verfasst am 26.04.2025 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Lloyd, Sam
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Online bestellen:   zum Thalia online-Shop
Schon selbst gelesen? Gib hier Deine Bewertung zum Buch ab!
[Gesamt: 0 Durchschnitt: 0]

Die Menschen, die in der Nacht die Stadt mit Leben erfüllen, sind eine Art abgeschlossener Gemeinschaft. Jedenfalls in den Augen von Mercy Lake. Und Mercy ist die, die über jene wacht, denen etwas zustoßen könnte; und sie beobachtet diejenigen, die anderen Unrecht tun.

Mit kleinen Hinweisen versucht Mercy ihren „Schutzbefohlenen“ zu helfen, sie erkennt, wenn jemand einsam oder in Nöten ist. Es gibt aber eine Grenze, die sie niemals überschreiten würde, die sie niemals überschreiten kann: Der direkte Kontakt mit den Menschen ist ihr beinahe unmöglich und wenn, dann muss sie selbst unerkannt bleiben.

Denn Mercy ist selbst mit ihrem Leben im Ungleichgewicht. Etwas ist einige Jahre zuvor geschehen, das eine tiefe Wunde bei ihr hinterlassen hat. Eine seelische Wunde, aber auch ein ganz reale, als sie an einer Schädelverletzung, die ihr jemand zufügte, beinahe gestorben wäre. Zurück blieben diese plötzlichen Schwindelanfälle und eben ihr Lebensstil: nur in der Nacht, nur in der Dunkelheit kann sie das Haus verlassen, wie ein Vampir meidet sie das Tageslicht. Wenn es hell wird, verbarrikadiert sie sich in ihrer Wohnung, durch keine Ritze darf Licht hereindringen.

Kontakt mit anderen hält sie nur aus der Ferne, anonym, einseitig. Wie sie dann in der Dunkelheit mit ihrem Fernglas in hell erleuchtete Zimmer sieht, kennt sie von allen ihren Schutzbefohlenen die Namen, ahnt, was sie bewegt, welche Sorgen sie umgeben. Zu allen entstand eine persönliche, wenn natürlich auch einseitige Nähe. Denn Mercy achtet darauf, dass sie immer im Verborgenen bleibt; und wenn sie hilft, mit einem Zettel, auf den sie einen Hinweis schreibt, oder mit einem kleinen Geschenk, dann erfährt niemand, woher das kam.

Eines Nachts trifft sie auf Louis, den mysteriösen Louis, den, wie sie selbst, etwas in den Nächten umtreibt. Nach vielen Jahren des Abschottens lernt sie Nähe zuzulassen, denn sie meint in Louis einen Menschen zu erkennen, der ihr unglaublich ähnlich ist. Wenn sie auch erkennt, dass dieser Mann etwas anderes mit sich herumträgt, etwas, das über ihre Art von Mitgefühl weit hinaus geht. Aber jetzt, wo sie jemanden in ihr Leben gelassen hat, schafft sich es nicht mehr, Distanz zu wahren.

Angetrieben von Louis‘ eigener Obsession gerät Mercy in Ereignisse, die sie nicht mehr selbst steuern kann. Zwar sind ihr die Menschen mit ihren Sorgen und Nöte weiterhin wichtig, doch mit Louis ändert sich das, was in der Nacht geschieht. Jetzt rücken diejenigen, die diese Nöte und Sorgen verursacht haben, ins Zentrum der Aufmerksamkeit; und damit der Wunsch, diejenigen zu bestrafen, die anderen Leid zufügen.

… zu viel gewollt

Die Grundidee der Story ist packend und überzeugend: ein Thriller, erzählt aus der Perspektive der Person, die selbst der Auslöser der Ereignisse ist.

Der Start ins Buch ist wirklich vielversprechend und Sam Lloyd enthüllt in nur sehr kleinen Portionen, was seine Hauptdarstellerin Mercy Lake antreibt, was sie denkt und fühlt und langsam auch das, was der Auslöser für ihr seltsames Verhalten ist.

Beim Weiterlesen muss ich aber feststellen, dass die Erzählung oft zu ausschweifend wird, wenn die Story mit beinahe akribischen Beschreibungen der Gedankenwelt Mercys durchzogen ist. Manches davon ergibt später in der Handlung Sinn, manches aber empfinde ich als reine Textfüllung, die dem Spannungsbogen im Weg steht; zudem liest man oft Wiederholungen von schon Gelesenen, nur aus anderen Perspektiven beschrieben. Das ist so umfangreich, dass es mir stellenweise beinahe die Lust daran nimmt, weiterzulesen

„Sie sieht, was du tust“ ist zusammengefasst ein Roman, der mit knapp 480 Seiten deutlich zu lang geraten ist. Wohl in der Absicht, möglichst viele Aspekte von möglichst vielen Seiten aus zu beleuchten, versickert im Lauf der Erzählung die Dynamik zwischen zu vielen Wörtern. Das führt auch dazu, dass die Story insgesamt zerfällt und man allzu leicht den Überblick verlieren kann.

Dass es sich aber dennoch auszahlt, bis zum Ende des Buches durchzuhalten, stelle auf den letzten Seiten fest. Die bieten dann wieder alles, was ein guter Thriller braucht: Tempo und ausreichend Spannung! Und vor allem führen sie ohne störende Umwege direkt zum Finale. 




Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Top